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Dicke Luft auf Schreckenstein

Dicke Luft auf Schreckenstein

Titel: Dicke Luft auf Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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fort.
    In der Pause vor der letzten Stunde gab es nur ein Gesprächsthema. Auch in den anderen Klassen hatte man sich auf einen Beobachter beschränkt, bei ähnlich magerer Ausbeute.
    Lediglich Eugen, der die Ankunft aus einem günstigeren Blickwinkel hatte verfolgen können, wußte mehr: „Im zweiten Wagen waren zwei Frauen oder so was.“
    Die Nachricht fand geteilte Aufnahme. Manche nickten zufrieden, andere rümpften die Nase.
    Mücke, als Chefredakteur der Schulzeitung Wappenschild auf sprachliche Genauigkeit trainiert, schüttelte den Kopf. „Was ist so was, falls es nicht zwei Frauen waren?“
    „Na ja“, brummte Eugen, „halt Lehrerinnen…“
    Hans-Jürgen, der Dichter, nicht minder genau, grinste. „Du erkennst Berufe durch Autofenster. Erstaunlich!“
    „Da würde ich mich mal beim Zoll bewerben“, flachste Klaus.
    Das Klingelzeichen vertagte die Neugier um eine weitere Stunde. Beim Mittagessen war es dann endlich soweit. Die Ritter hatten ihre Plätze im Eßsaal bereits eingenommen, da erschien der Rex mit den Studienreisenden. Ohne daß es einer Aufforderung bedurft hätte, erhoben sich alle zur Begrüßung von ihren Plätzen. Die Studienreisenden, unter ihnen tatsächlich zwei Frauen, zeigten sich angenehm überrascht.
    „Eins zu null für Schreckenstein!“ flüsterte Beni .
    Doch schon beim Hinsetzen gab es lange Gesichter. Nicht daß die fünf auffallend unsympathisch gewirkt hätten – es lag an der langen Wartezeit. Da war kaum ein Ritter, der sie sich nicht ganz anders vorgestellt hatte.
    Während die Studienreisenden ihre Schreckensteiner Kollegen begrüßten und am Lehrertisch Platz nahmen, sagte Stephan treffend: „Nichts stimmt mehr! Es ist, wie wenn man ein Buch gelesen hat und sieht nachher die Verfilmung.“
    Werner schüttelte den Kopf. „Für mich ist das eine Fußballmannschaft aus lauter Ersatzleuten.“
    „Seniorenclub!“ brummte Werner.
    Während des Essens hatten die Ritter ausgiebig Gelegenheit, ihre Phantasiebilder zu korrigieren, und sie taten es unauffällig. Das Studienquintett bestand aus einem jüngeren Blonden mit kurzem Bart und Brille, einer dürren Blonden mit sehr glattem Haar, alles senkrecht bergab; einer sehr kleinen rundlichen Dunklen gesetzteren Jahrgangs, einem massigen Mann mit schlohweißem Haarschopf und einem stämmigen Mann mittleren Alters mit schwarzen Locken.
    Sie alle zeigten sich sehr gesprächig. Martin, der in der Küche Königsberger Klopse nachgetankt hatte, stellte die Schüssel auf den Tisch und seufzte: „Mann, die fressen wie nach einem Marathonlauf.“
    Während des Nachtischs läutete der Rex wie immer mit dem silbernen Glöckchen. Die Ritter verstummten augenblicklich, das Studienquintett quatschte weiter, bis Doktor Waldmann ihnen den Zweck dieser Einrichtung erklärt hatte: Die Schweigezeit diente der Sammlung für die Ansage des Schulkapitäns.
    Ottokar begab sich ans Schwarze Brett, läutete mit der Kuhglocke, um das Programm für den Sportnachmittag anzukündigen. Danach verlas er einige Verlust— und Fundanzeigen: Bücher, einen Pullover, einen einzelnen Schuh, eine Langspielplatte, und kam abschließend auf das Studienquintett zu sprechen: „Unsere Gäste möchten euch gern kennenlernen. Wir machen das gleich hier. Bevor ihr den Eßsaal verlaßt , geht jeder hin und stellt sich vor.“
    Die Ritter verzogen keine Miene, nur ihre Blicke sprachen: Wenn’s unbedingt sein muß – in Gottes Namen!
    Es dauerte noch eine Weile, bis Ottokar sich wieder gesetzt hatte und der Rex abermals mit dem silbernen Glöckchen läutete. Stühle wurden gerückt, die Ritter erhoben sich, doch keiner wollte den Anfang machen.
    „Los, geh schon! Du bist doch sonst immer vorne dran.“ Mit diesen Worten schob Dampfwalze den kleinen Kuno an. Ihm folgten Beni , Werner, Armin, Martin, Dolf und Eugen. Langsam kam der Gänsemarsch in Bewegung.
    „Schön natürlich bleiben!“ flachste Klaus. Das Studienquintett hatte sich neben dem Lehrertisch aufgestellt und schüttelte eine Hand nach der andern. „Wie bei einem Staatsempfang“, bemerkte Hans-Jürgen.
    Von Zeit zu Zeit wiederholte Doktor Waldmann ihre Namen.
    „Jugendpsychologe Doktor Stark“ – das war der mit dem Bart;
    „Frau Doktor Semmel“ – die mit dem sehr glatten Haar;
    „Frau Doktor Marhold“ – die dunkle Dicke;
    „Studienrat Huber“ – der mit dem weißen Schopf; „Professor Richter“ – der Stämmige mit den Locken.
    Draußen vor dem Eßsaal tauschten die Ritter erste
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