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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora
Autoren: Greg Egan
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angelegt, während die an jedem Punkt gespeicherten Zahlen eine vierte implizierten. Also waren auch diese Dünen vierdimensional.
    Dann wurde eine zweite Welle hinzugefügt, die versetzt zur ersten verlief und leicht moduliert war, wodurch sie jeden Hügel in eine Reihe ansteigender Grate zerschnitt. Eine dritte und vierte kam hinzu, und jede folgende Welle bereicherte das Muster, indem die Symmetrien kompliziert und frakturiert wurden – Richtungen wurden definiert, Neigungen konstituiert und eine Hierarchie der Maßstäbe etabliert.
    Die vierzigste Welle pflügte durch eine abstrakte Topographie, die keinerlei Ähnlichkeit mit der kristallinen Regelmäßigkeit ihres Ursprungs mehr aufwies, nachdem die Grate und Furchen so verschlungen wie die Wirbel eines Fingerabdrucks waren. Nicht jeder Punkt war einzigartig geworden, aber es gab nun genügend Strukturen, um als Rahmen für alles weitere geeignet zu sein. Darauf gab der Keim die Anweisung, daß Hunderte Kopien seiner selbst über die soeben kalibrierte Landschaft verteilt wurden.
    In der zweiten Iteration las die Plazenta alle Befehle der replizierten Keime aus – und anfangs waren die übertragenen Anweisungen überall dieselben. Dann folgte irgendwann die Anweisung, daß in der Bit-Sequenz jedes Keims bis zu einem Feld vorgesprungen werden sollte, das einem bestimmten Muster der umgebenden Daten benachbart war, einer Abfolge von Wellen mit einer bestimmten Form, die auffällig, aber nicht einzigartig war. Da jeder Keim sich an einer anderen Stelle befand, lag auch jede lokale Version dieser Landmarke an einem anderen Ort, worauf die Plazenta nun die nächsten Anweisungen von einem unterschiedlichen Teil jedes Keims auszulesen begann. Die Keime selbst waren immer noch allesamt identisch, doch nun konnte jeder eine andere Menge Shaper auf die Umgebung einwirken lassen, womit die Grundlagen für unterschiedlich spezialisierte Regionen der Psychoblastula, des embryonalen Geistes, gelegt wurden.
    Diese Technik war uralt, denn auch die unbestimmten Zellen des Stiels einer knospenden Blüte folgten einem selbst abgesteckten Muster aus chemischen Signalen, um sich zu Kelchblättern, Blütenblättern, Staubfäden und Fruchtblatt zu differenzieren. Ein verpupptes Insekt sättigte sich selbst mit Proteinen, deren unterschiedliche Konzentration die unterschiedlichen Genkaskaden auslösten, die zur Ausprägung von Hinterleib, Brust und Kopf führten. Konishis digitale Version schöpfte die Essenz dieses Prozesses ab: Zuerst wurde der Raum durch charakteristische Markierungen aufgeteilt, dann beeinflußten die Landmarken alle weiteren Anweisungen, indem spezialisierte Subprogramme ein- und ausgeschaltet wurden – die wiederum den Gesamtzyklus in kleinerem Maßstab wiederholten und die ersten Grobstrukturen in Wunder der filigranen Präzision transformierten.
    Nach der achten Iteration enthielt das Gedächtnis der Plazenta einhundert Billionen Kopien des Mentalkeims – mehr waren nicht erforderlich. Die meisten schnitzten weiterhin neue Details in die Landschaft, doch einige verzichteten ganz auf die Shaper und spulten statt dessen die Shrieker ab. Das waren kurze Schleifen aus Instruktionen, die Impulsströme in das primitive Netzwerk schickten, das sich zwischen den Keimen gebildet hatte. Die Straßen dieses Netzwerks waren einfach die höchsten Grate, die die Shaper gestaltet hatten, und die Impulse waren kleine Pfeilspitzen, die ein bis zwei Stufen höher aufragten. Die Shaper hatten in vier Dimensionen gearbeitet, so daß die Netzwerke selbst dreidimensional waren. Die Plazenta hauchte diesen Konventionen Leben ein und ließ die Impulse wie Trillionen Wagen über die Gleise zwischen den Billionen Kreuzungen einer Einschienenbahn von zehntausend Stockwerken rasen.
    Einige Shrieker sandten metronomische Bit-Ströme aus, andere produzierten ein Stottern in pseudo-zufälligen Mustern. Die Impulse bewegten sich durch das Labyrinth, das stellenweise noch im Entstehen begriffen war – während in diesem Stadium fast jede Bahn mit allen anderen verbunden war, weil noch keine einschränkenden Entscheidungen gefallen waren. Neue Shaper wurden vom Verkehr geweckt und aktiviert; sie demontierten die überflüssigen Kreuzungen und behielten nur jene bei, an denen eine ausreichende Anzahl von Impulsen gleichzeitig eintraf. Aus all den zahllosen Alternativen wählten sie die Bahnen aus, auf denen synchron gearbeitet werden konnte. Es gab auch Sackgassen in den sich entwickelnden
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