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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus
Autoren: Pierre Emme
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stehende Personen entblödeten sich nicht, das Laster, von
dem sie nicht lassen konnten, in Artikeln und Broschüren mit Argumenten zu
verteidigen, die ihre Intelligenz nachhaltig beleidigten.
    Palinski hatte vor mehr als 20 Jahren selbst eine Zeit
gehabt, in der er täglich mindestens 40 Zigaretten konsumiert hatte, an Tagen
mit langen Nächten deutlich mehr. Sein Glück waren seine relativ empfindlichen
Atemwege gewesen, die sich diese Behandlung einfach nicht gefallen lassen
wollten. Nach wenigen Monaten hatte er bereits jeden Morgen mindestens zwei
Stunden damit zu tun gehabt, seine Bronchien auf höchst ungustiöse Art und
Weise wieder freizuhusten und dabei darauf zu achten, sich nicht gleichzeitig
anzuspeien.
    Diese auf Dauer sozial unverträglichen Morgenauftritte sowie
ein äußerst abschreckender Artikel in einem Wochenmagazin hatten ihn in der dem
Erscheinungstermin folgenden lauen Augustnacht vor knapp 20 Jahren seinen
letzten Lungenzug tun und anschließend mit dem Tschicken [2] aufhören lassen.
    Das Rezept war denkbar simpel gewesen: Einfach die nächste
Zigarette nicht mehr anzünden. Als zusätzliche Motivationshilfe hatte er das
bisherige Zigarettengeld tagtäglich in eine Sparbüchse geworfen und damit im
folgenden Februar einen 14-tägigen Skiurlaub für Wilma und sich finanziert. Mit
allen Schikanen und schon wieder völlig hustenfrei, verstand sich.
    Einige Jahre später hatte er zwar wieder mit dem
Rauchen begonnen, diesmal allerdings mit Zigarillos. Zigarette hatte er seither
keine einzige mehr angerührt.
    Inzwischen war Palinski seit Langem wieder von den
kleinen Zigarren weg. Das Einzige, das er sich nun gelegentlich gönnte, war ein
Pfeiferl in Ehren, das er in einer ruhigen Stunde in seinem Rauchsalon, und nur
da und sonst nirgendwo, vor sich hinpaffte. Dementsprechend betrachtete er sich
auch nicht als Raucher, bestenfalls als Paffer, dessen Sympathien in der immer
beherrschender werdenden Diskussion eindeutig auf der Seite der zum passiven
Mitrauchen Verdammten lagen. Denn im Gegensatz zu der von Selbstmitleid und
gelegentlichem Verfolgungswahn geprägten Attitüde der ›letzten
Individualisten‹, die ihr ›Recht‹ auf uneingeschränktes Pofeln, wann und wo
immer sie wollten, in Gefahr sahen und mit einer Intensität verteidigten, als
gelte es, die Werte der Französischen Revolution zu schützen, wusste und
anerkannte Palinski, dass es bei dieser Auseinandersetzung nicht um das Rauchen
an sich ging, sondern um den Schutz der Nichtraucher. Also darum,
sicherzustellen, dass durchs Qualmen niemand außer dem Verursacher selbst,
dessen Recht auf Selbstbeschädigung natürlich außer Zweifel stand, in
Mitleidenschaft gezogen wurde. Exakt das war der Punkt. Nicht um mehr, aber
auch nicht um weniger ging es bei diesem mitunter sehr hitzigen Diskurs.
    Eine völlig andere Sache war hingegen der Brief,
den die Polizei in der linken Gesäßtasche Karl Lesonics finden sollte.

     
    *

     
    Kurz nach 13 Uhr bog ein aus der Stadt
kommender, schwarz lackierter Kleintransporter von der Grinzinger Allee in die
Straße mit dem markanten Namen An den Langen Lüssen ein und fuhr hinauf, bis es
nicht mehr weiterging. Nachdem der Wagen geparkt worden war, betraten zwei mit
dunklen Anzügen bekleidete Männer den Grinzinger Friedhof, eine der schönsten
und nobelsten Adressen der speziellen Art in Wien.
    Hier hatte eine Menge Prominenter ihre letzte
Ruhestätte gefunden, darunter so bekannte Künstler wie Gustav Mahler, Alma
Mahler-Werfel, Heimito von Doderer, Paula Wessely und Attila Hörbiger und
Thomas Bernhard.
    Neugierig blickten die wenigen an diesem Tag
anwesenden Standler von ihrem aus Kerzerln, Gestecken und Kränzen bestehenden
Angebot auf und beobachteten die mit ihren dunklen Brillen etwas sonderbar
wirkenden Fremden, die einen Metallsarg zur Aufbahrungshalle trugen.
    Maria ›Mitzi‹ Wallasch, die ihr kleines, neben dem
Haupteingang liegendes Blumengeschäft schon seit 30 Jahren betrieb, kamen
die beiden irgendwie seltsam vor. Die Art, wie sie sich bewegten, sagte ihr,
dass sich im Sarg niemand befand, außer höchstens ein kleines Kind. Oder vielleicht
ein Liliputaner? Die jedoch wurden in der Regel nicht in zwei Meter langen
Särgen transportiert.
    Das beiläufige Winken des größeren der beiden
Männer, das Mitzi als Gruß interpretierte, beruhigte die grundsätzlich
misstrauische Standlerin allerdings wieder. Schließlich konnte sie ja nicht
sämtliche Mitarbeiter der Städtischen
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