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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche
Autoren: B Akunin
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entworfen, und sein tiefer Sinn lautete: Ich dränge nicht in den Adel, ich schäme mich nicht, daß ich aus dem Volk stamme. Vater war ein einfacher Schmied (Hammer), Großvater Landmann (Sichel), doch durch Fleiß (Bienen) und Dienst am Staate (Schirmmütze) bin ich hoch aufgestiegen, wie es meinen Verdiensten entspricht.
    Den Erbadel hatte Jewstrati Pawlowitsch bereits im Vorjahr erhalten, zusammen mit dem Wladimirorden dritter Stufe, doch die Wappenkammer zögerte die Bestätigung des Wappens immer wiederhinaus, hatte stets etwas auszusetzen. Hammer, Sichel und Bienen fanden Zustimmung, die Schirmmütze aber erregte Anstoß – sie habe zu große Ähnlichkeit mit der Krone, die nur Personen mit Adelstitel zustand.
    In letzter Zeit war es Mylnikow zur Gewohnheit geworden, beim Nachdenken das liebgewonnene Emblem zu zeichnen. Anfangs wollten ihm die Bienen nicht gelingen, doch mit der Zeit wurden sie richtig gut – eine Augenweide! Auch jetzt malte er eifrig die schwarzen Streifen auf dem Bauch der fleißigen Immen, wobei er immer wieder auf den Stapel neben seinem linken Ellbogen blickte. Das Dokument, das den Hofrat in Nachdenklichkeit gestürzt hatte, war überschrieben: »Protokoll der Beobachtung des ehrenwerten Bürgers Andron Semjonow Komarowski (Tarnname ›Nervöser‹) in St. Petersburg am 15. Mai 1905.« Die Person, die sich Komarowski nannte (es gab gewichtige Gründe zu vermuten, daß der Paß gefälscht war), war ihnen von der Moskauer Geheimpolizei zur Überwachung möglicher Kontakte und Verbindungen übergeben worden.
    Und nun dies!
     
    Das Objekt wurde von einem Agenten des Moskauer Fliegenden
Trupps um 7 Uhr 25 Min. am Bahnhof übernommen. Die Begleitung (Agent Gnatjuk) meldete, der Nervöse habe unterwegs mit niemandem gesprochen und das Coupé nur zum Zwecke der Notdurftverrichtung verlassen.
    Nach Übernahme des Objekts wurde dieses mit zwei Droschken bis zum Bunting-Haus in der Nadeshdinskaja-Straße verfolgt. Dort begab sich der Nervöse in den dritten Stock, in die Wohnung Nummer sieben, und kam nicht wieder heraus. Mieter der Wohnung ist ein gewisser Zwilling, Einwohner von Helsingfors, der jedoch höchst selten auftaucht (das letztemal, laut Aussage des Portiers, zu Beginn des Winters).
    Um 12 Uhr 38 Min. rief das Objekt per Telefon den Portier zu sich.
Als Portier getarnt, ging Agent Maximenko zu ihm. Der Nervöse gab ihm einen Rubel und trug ihm auf, ein Brötchen, Wurst und zwei Flaschen Bier zu kaufen. In der Wohnung war außer ihm niemand.
    Um 3 Uhr 15 Min. betrat ein Offizier das Haus, dem der Tarnname »Kalmücke« gegeben wurde. (Stabskapitän, Kragenspiegel der Intendantenverwaltung, humpelt auf einem Bein, von kleinem Wuchs, breite Backenknochen und schwarzes Haar).
    Er ging in die Wohnung sieben, kam jedoch nach vier Minuten wieder herunter und lief in Richtung Bassejnaja-Straße. Agent Maximenko wurde auf ihn angesetzt.
    Der Nervöse verließ das Haus nicht. Um 3 Uhr 31 Min. trat er ans
Fenster, schaute in den Hof und trat zurück ins Zimmer.
    Maximenko ist bis jetzt nicht zurück.
    Ich übergebe die Überwachung (8 Uhr abends) an Oberagent Sjablikow.
    Oberagent Smurow.
     
    Eigentlich kurz und klar.
    Kurz schon, aber klar mitnichten.
    Vor anderthalb Stunden war bei Mylnikow, der gerade oben zitierten Bericht erhalten hatte, ein Anruf vom Polizeirevier in der Bassejnaja eingegangen. Man teilte ihm mit, auf dem Hof eines Hauses in der Mitawski-Gasse sei ein Toter gefunden worden, und zwar mit einem Ausweis auf den Namen des Agenten Wassili Maximenko. Keine zehn Minuten später war der Hofrat bereits an Ort und Stelle und überzeugte sich selbst: Ja, es war Maximenko. Es gab keinerlei Spuren eines gewaltsamen Todes, auch keine Spuren eines Kampfes oder sonstiger äußerer Einwirkung an seiner Kleidung. Karl Stepanytsch, ein erfahrener medizinischer Sachverständiger erklärte ohne jede Obduktion sofort: Allem Anschein nach Herzstillstand.
    Nun, Mylnikow trauerte ein wenig, vergoß sogar ein paar Tränenum den alten Kameraden, mit dem er zehn Jahre lang Schulter an Schulter gearbeitet hatte. Übrigens hatte er sich auch den Wladimir-Orden, dem ein neues Adelsgeschlecht seine Entstehung verdankte, nicht ohne Maximenkos Beteiligung erworben.
    Im Mai vorigen Jahres war vom Konsulat in Hongkong die geheime Meldung eingegangen, daß vier Japaner, als Kaufleute getarnt, in Richtung Suezkanal unterwegs seien, genauer gesagt, in die Stadt Aden. Allerdings seien sie keineswegs
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