Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diadem von den Sternen

Diadem von den Sternen

Titel: Diadem von den Sternen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
die seidige Rinde. Der verlockende Minz-Duft der Wedel ließ sich wie Räucherwerk um sie herabsinken.
    Sie neigte ihren Kopf und starrte zum Himmel hinauf. Eine Minute lang glaubte sie einen staubigen gelben Film von Osten nach Westen hinüberhuschen sehen zu können, aber je länger sie hinsah, desto unsicherer wurde sie, daß da wirklich etwas war. Mit einem Seufzer lehnte sie sich gegen den Stamm zurück und ließ dessen sanftes Pulsieren um ihren Hinterkopf flirren und in zunehmender Intensität ihr Rückgrat hinauf- und hinunterpochen. Vor Behagen schnurrend rieb sie sich eine lange, warme Minute lang an der sommerglatten Rinde, bis die Wirklichkeit für sie an den Rändern abschmolz.
    Dann nieste sie, und der Traum um sie herum zerbarst. Sie zitterte.
    Ihre Zähne klapperten aufeinander. Ihre Augen fühlten sich steif und geschwollen an. Sie nieste wieder, tätschelte liebevoll den Baum und eilte ins Haus zurück.
    Geistesabwesend durch die Kälte, die einen Schauer nach dem anderen durch ihren müden Körper pulsieren ließ, bemerkte sie den schweren, schwarzen Schatten nicht, der am oberen Ende der Treppe aufragte.
    „Soooo…” Das leise, giftige Zischen ließ ihren Kopf hochrucken Aufkeuchend klammerte sie sich an das Geländer, ihr Herz hämmerte gegen die Rippen.
    Qumri. Sie wartete auf sie.
    Sie lehnte sich gegen die Balustrade und versuchte, ihren Verstand zusammenzunehmen, krank von der uralten Furcht, die Qumri ihr eingeimpft hatte, und krank vor Wut über sich selbst, weil sie sich von dieser Frau einschüchtern ließ. All diese Jahre, dachte sie.
    All diese Jahre…
    „Sittenbrecherin!” Qumris Stimme war ein haßerfülltes Flüstern.
    Aleytys duckte sich tiefer über das Geländer, als es nach ihr ausschlug, „Unreine! Hurentochter!” Die letzten Worte wurden in einem schrillen Winseln herausgepreßt, als ersticke die Wut sie in ihrer Kehle. Aleytys biß sich auf die Lippe und hob ihre Hand.
    „Komm herauf!”
    Auf tauben, unbeholfenen Füßen hinkte sie die restlichen Stufen hoch.
    Eine harte, kräftige Hand zuckte aus der Dunkelheit heran und schlug ihr mit brennender Wucht ins Gesicht; sie wurde gegen den Endpfosten gestoßen.
    „Dummes Tier!” Immer wieder traf die Hand ihr Gesicht, um die haßerfüllt ausgestoßenen Silben zu unterstreichen.
    Aleytys wimmerte und versuchte sich wegzuducken.
    Qumri riß sie auf die Füße und ohrfeigte sie fester. Mit jedem Schlag stieß sie ihren Atem in mißtönendem Quietschen ein und aus.
    In Aleytys Innerem knackte etwas. Als Qumris Hand wieder ausholte, riß sie sich los, krabbelte davon. Knapp außer Reichweite kam sie hoch, warf ihren Kopf zurück; der Zorn pochte heiß und stark in ihr. Sie lachte,
    Qumri erstarrte; ein drolliger Ausdruck der Überraschung entstellte ihre hübschen Gesichtszüge.
    „Warum, alte Frau …” Aleytys dehnte die Worte aus, bis sie eine Beleidigung in sich wurden. „Kannst du den Azdar nicht dazu bringen, dich mit ins Bett zu nehmen? Streichst du deshalb in den Fluren herum?”
    Qumri kreischte und sprang vor, die Finger zu Krallen gekrümmt.
    Mit einem Schluckauf hysterischen Lachens floh Aleytys den Flur entlang; Qumri zeterte hinter ihr her. Sie erreichte ihr Schlafzimmer, Qumri knapp einen Schritt hinter sich. Aleytys warf sich in den Raum hinein, wirbelte herum, stützte sich ab, knallte die Tür vor Qumris Nase zu und ließ den Balken in seine Halterung fallen.
    „Ahai!” Sie drehte sich um und straffte ihren Rücken gegen die Tür, fühlte sich schlaff wie ein ausgewrungenes Spültuch. „Ich sollte mich morgen wirklich nicht in ihrer Reichweite aufhalten…”
    Mit schweren Armen hängte sie den Schal auf den Haken und kroch dann in ihr Bett zurück. Zitternd lag sie da, während ihr Körper langsam wärmer wurde, und starrte in das dichte Schwarz hinauf. Triumph flackerte eine Minute lang in ihr auf, ergraute jedoch zu Asche, als ihr klar wurde, daß sich nichts geändert hatte.
    Überhaupt nichts.
    2
    Hesh wölbte sich stahlblau über den östlichen Rand der Welt, eine Handspanne nördlich von Horlis’ zusammengedrücktem Halbrund.
    Unten im Tal wuchs den Horans ein zweiter Schatten, während sich das schwache, rote Licht zu einem klaren Blau aufhellte.
    Die klobigen Gav schnaubten unter den verstreut stehenden Horans, stießen sich auf die Läufe hoch und schnüffelten in die Luft, die von einer Frische war, daß es einem das Blut brennend durch die Adern peitschte.
    Der Raqsidan wand sich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher