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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition)
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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Mann, der prüfend ins Wasser sah. Er verschwand aus meinem Blickwinkel, der Steg vibrierte kurz unter seinen schnellen Schritten, dann sah ich seinen Schatten über mir und wie er ins Wasser eintauchte. Ich wischte mir Wassertropfen aus den Augen und blickte beiläufig zu dem Floß in der Mitte des Sees, wo der schwarzhaarige Junge gerade seinen Freund ins Wasser warf. Mir meines Verstecks bewusst, beobachtete ich ihn genauer und versank in einer Gefühlsmelange, die man in späteren Jahren wohl so nie wieder empfinden würde.
    »He, Mann, bist du hier unten?«, hörte ich jemanden rufen und sah mich um.
    Marcel stand am Stegrand und suchte die Wasseroberfläche nach etwas ab. Marcel kannte ich aus der Volleyball-Gruppe in der Schule.
    »Hey, Laura«, grüßte er, als er mich in meinem Versteck erkannte. Ich fühlte mich irgendwie erwischt.
    »Hey, Marcel.« Ich hob die Hand und winkte ihm zu.
    »Hast du den Typ gesehen, der hier gerade rein gesprungen ist? Der … Farbige. Weißt du, wo der wieder aufgetaucht ist? Ich hab ihn nämlich nicht wieder gesehen.«
    Ich spürte die Unruhe in Marcels Stimme und versuchte mich zu erinnern, wann und wo der Fremde ins Wasser gesprungen war.
    »Warte, vielleicht versteht er dich nicht und ist unter dem Steg wieder aufgetaucht. Ich seh´ da mal nach«, antwortete ich und tauchte unter dem Steg durch. Ich sah in beide Richtungen, aber außer einigen Kindern und einem knutschenden Pärchen war dort niemand.
    »Hallo!«, rief ich.
    »Hello!«, versuchte ich es erneut. Marcels Stimme hörte ich von der anderen Seite rufen. Ich tauchte wieder zu ihm und stieg die Leiter rauf.
    »Unten ist er nicht.«
    »Scheiße, was machen wir?«
    Angst und Sorge machten sich in uns breit. Wir sahen zu den Umkleidekabinen, wo der dickleibige Bademeister immer auf einem weißen Plastikstuhl im Schatten saß – nur jetzt nicht.
    »Der würde uns auch nicht hören«, sagte Marcel kopfschüttelnd.
    »Wir müssen nach ihm tauchen!«, bestimmte ich.
    Wir sahen uns an und uns war nicht wohl dabei, denn über den Beckersberg kursierten im Dorf die wildesten Gerüchte. Angeblich hatte man einmal eine Frau mit einem Pelzmantel tot im Wasser gefunden und sogar einen Zuhälter auf einem Motorrad. Dass ich damals nicht genau wusste, was ein Zuhälter überhaupt war, machte es auch nicht besser.
    »Was ist, wenn er schon tot ist?«, sprach ich es endlich aus. Wir mussten beide schlucken.
    »Dann müssen wir ihn rausholen«, antwortete Marcel. Ich nickte.
    »Ich tauche zuerst«, sagte er, machte sich sprungbereit und drehte sich noch einmal um, »und wenn jemand vorbeikommt, soll er den Bademeister herholen.«
    Ich nickte erneut und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er endlich tauchen sollte. Er sprang ins Wasser.
    Ich stand dort und sah ihm nach, die Stimmen, das Lachen, der Geruch von Pommes und Sonnencreme, alles nahm ich so intensiv wahr, dass ich es jetzt noch spüren kann. Die Zeit dehnte und beschleunigte sich in einem … Jessica und Mirko liefen zum Sprungturm. Ich rief ihnen zu und winkte sie heran. »Ihr müsst den Bademeister holen, hier kommt einer nicht mehr hoch. Schnell!«
    Sie müssen mir den Ernst der Lage angesehen haben, denn sie machten kehrt und liefen zu den Duschen. Marcel tauchte auf, schüttelte den Kopf, atmete tief ein und stieg zu einem weiteren Tauchgang hinab. Ich sah mich nach Jessica und Mirko um, dann sprang ich Marcel hinterher.

    Es ist ein schönes Erlebnis, wenn man aus Spaß an der Freude in einem Naturbad taucht; zum Beispiel im Wettstreit mit anderen, um zu sehen, wer imstande war, eine Handvoll Sand vom Grund zu bergen. Oder um dorthin zu tauchen, wo einen die Kälte des Grundwassers überraschend begegnet, um sich anschließend mit Freunden an der Oberfläche über das Erlebte auszutauschen.
    Es ist etwas völlig anderes, wenn man im Kalten und Dunkeln nach einem Ertrunkenen sucht, die Arme voran in die Tiefe gestreckt, bereit – nein, eher nicht bereit – für jedwede unangenehme Berührung, die dort lauern mochte. Und plötzlich galoppierte die Phantasie mit einem durch und man vermutete Schreckliches in der Tiefe. Ich durchbrach die kalte Unterströmung, und nicht wegen der Kälte, sondern aus Furcht vor dem Ungewissen überkam mich ein Schauer. Den Druck ausgleichend schwamm ich in die Horizontale, hob den Kopf und sah über mir das Tageslicht an der Wasseroberfläche brechen. Zwei, drei weitere Züge, dann stieg ich auf und wartete auf Marcel, der wenige
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