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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel
Autoren: Mitchel Scanlon
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er ihm stand.
    »Ja, ich glaube, du verstehst
es tatsächlich«, urteilte Meister Ramiel nach kurzem Schweigen. Ein Lächeln zeichnete
sich auf seinem zerfurchten Gesicht ab. »Du bist anders, Zahariel. Das sah ich
deinem Gesicht bereits an, als du zu unserem Orden kamst.«
    Sie saßen in einem der vielen
Trainingssäle in Aldurukh, wo Ritter und Anwärter ihre Zeit damit verbrachten,
ihr kämpferisches Geschick zu verbessern, damit sie auf Caliban überleben
konnten.
    Der Saal war verlassen, da es
so früh am Tag war, dass nicht einmal die Anwärter wach waren. Für gewöhnlich
hätte Zahariel um diese Zeit auch noch geschlafen, doch die Nachricht von
Meister Ramiel hatte ihn dazu veranlasst, sich eine Stunde vor Tagesanbruch
hier einzufinden.
    »Im Verlauf der nächsten Nacht
wirst du dein Einführungsritual in den Orden erfahren«, sagte Meister Ramiel.
»Während dieser Zeremonie wirst du deinen Treueid ablegen, und damit beginnt
deine Reise, um ein Ritter des Ordens zu werden.«
    »Wollen Sie mit mir den Ablauf
dieser Zeremonie durchgehen?«, fragte Zahariel. »Damit ich weiß, was mich
erwartet?«
    Ramiel schüttelte den Kopf und
gab ihm damit zu verstehen, dass ihm etwas anderes vorschwebte.
    »Auch wenn unsere Rivalen gern
das Gegenteil behaupten, können die Ritter des Ordens nicht völlig dem Lockruf
der Tradition widerstehen. Uns ist klar, welche Rolle so etwas im Leben eines
Einzelnen spielen kann. Menschen verzehren sich nach Ritualen, sie geben dem alltäglichen
Dasein einen Sinn, und sie verleihen unseren Taten Gewicht. Wichtiger aber noch
ist, dass sie uns helfen können, unseren Platz auf dieser Welt zu verstehen.
Zugegeben, wir widersprechen jenen, die solche Dinge in einem religiösen Licht
sehen. Wir sehen in einer Tradition keine übersinnliche Bedeutung, ob es nun
unsere eigene Tradition oder die eines anderen ist. Unserer Meinung nach
besteht die Hauptaufgabe von Ritualen und Traditionen nicht darin, nach außen
hin irgendeinen Effekt zu erzielen. Vielmehr sollen sie in der inneren Welt des
Geistes für Stabilität und Ausgewogenheit sorgen. Sollte Tradition einen nach
außen wirkenden Zweck haben, dann allenfalls den, ein Gefühl einer in sich
geschlossenen gesell-schaftlichen Ordnung zu erzeugen. Man könnte Tradition als
den Mörtel bezeichnen, der unsere Gesellschaft zusammenhält.« Der alte Mann
machte eine kurze Pause. »Du siehst mich so eigenartig an, Zahariel. Habe ich
einen wunden Punkt getroffen?«
    »Nein«, antwortete der. »Ich
bin nur müde, Meister. Ich hatte nicht erwartet, so früh am Morgen einen
Vortrag über Traditionen zu hören zu bekommen.«
    »Du hast völlig Recht. Ich habe
dich nicht herbestellt, um mit dir über die gesellschaftlichen Aspekte von
Traditionen zu reden. Ich sorge mich mehr um den Symbolismus mancher Rituale
des Ordens. Ich möchte sicherstellen, dass du ihre Bedeutung verstehst, bevor
sie dich holen kommen.«
    Meister Ramiel stand auf und
ging bis in die Saalmitte. Den Traditionen des Ordens entsprechend, war in den
Fußboden ein Spiralmuster eingelassen, das von einem Ende des Saals bis zum
anderen reichte.
    »Du weißt, warum sie hier ist,
Zahariel? Die Spirale, meine ich.«
    »Das weiß ich, Meister«,
bekräftigte er, erhob sich und stellte sich zu seinem Meister. »Die Spirale ist
die Grundlage für alle Kampftechniken mit dem Schwert, und neben den
körperlichen Doktrinen ist das Verbatim der Grundpfeiler für unsere
geistigen Disziplinen.«
    »So ist es, Zahariel. Aber
zugleich ist die Spirale noch vieles mehr. Seit deinem ersten Tag wurde von dir
erwartet, dass du der Spirale auf dem Saalboden folgst und auf deiner Reise
verschiedene vorgegebene Angriffs- und Verteidigungsroutinen darstellst. Kennst
du den Grund dafür?«
    Zahariel zögerte. »Ich nahm
immer an, es handele sich um ein altes Schwertritual von Terra. Stimmt das nicht?«
    »Möglicherweise hat es auch
damit zu tun«, räumte Ramiel ein.
    »Aber indem du Tag für Tag und
Jahr um Jahr exakt der Spirale folgst und dabei jedes Mal genau die
vorgeschriebenen Bewegungen vollziehst, bis sie dir in Fleisch und Blut übergehen,
wirst du am Ende eine unschlagbare Verteidigungstechnik beherrschen.«
    Meister Ramiel folgte dem
Verlauf der Spirale und bewegte seinen Stab wie in einem komplexen Ballett für ein
Kampfritual.
    »Die Ritter des Ordens schlagen
regelmäßig Vertreter der anderen Ritterorden in Turnieren und Scheinduellen.
Die Spirale ist der Grund dafür.«
    Ramiel hatte den
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