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DGB 05 - Fulgrim

DGB 05 - Fulgrim

Titel: DGB 05 - Fulgrim
Autoren: Graham McNeill , Ralph Sander
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dass er zur 28. Expedition gebracht worden war.
    Dass andere ihn als Genie
bezeichneten, war ihm bekannt, doch Ostian wusste, seine Hände waren nur das Werkzeug,
mit dem er lediglich befreite, was bereits im Inneren des Steins lebte. Seine
Fähigkeit Bescheidenheit verbot ihm, sein Talent als Genialität zu bezeichnen
lag darin, das fertige Werk vor sich zu sehen, lange bevor er auch nur das
erste Mal den Meißel am Stein ansetzte. Der noch unbearbeitete Marmor konnte
die Form jedes Gedanken aufweisen, zu dem der Künstler fähig war.
    Ostian Delafour war ein
schmaler Mann mit einem ebenso schmalen, ernsten Gesicht und langgliedrigen Fingern,
die in silbernes Metall gehüllt waren. Dieses Metall glänzte wie Quecksilber
und ließ seine Finger mit allem spielen, was ihm in die Hände fiel, als besäßen
die Gliedmaßen ein Eigenleben, auf das ihr Herr und Meister keinen Einfluss
hatte. Er trug einen langen weißen Kittel über einem elegant geschnittenen
schwarzen Seidenanzug und einem cremefarbenen Hemd.
    Das Förmliche seiner Kleidung
stand dabei in einem eigenartigen Widerspruch zu der chaotischen Werkstatt, in der
er die meiste Zeit des Tages verbrachte. »Jetzt bin ich bereit«, flüsterte er.
    »Das will ich auch hoffen«,
erwiderte eine Frauenstimme hinter ihm. »Bequa wird einen hysterischen Anfall
bekommen, wenn wir zu spät zu ihrem Konzert erscheinen. Du weißt ja, wie sie
ist.«
    Lächelnd gab Ostian zurück:
»Nein, Serena. Ich meinte damit, ich bin jetzt bereit, mit der Arbeit zu
beginnen.«
    Er drehte sich um und zog die
Schnüre seines Kittels auf, dann legte er ihn weg, während Serena d'Angelus wie
eine jener grässlichen Matriarchinnen in sein Atelier gestürmt kam, die
Coraline Aseneca so zutreffend darzustellen wusste. Entrüstet musterte sie die
verstreut herumliegenden Werkzeuge, die achtlos weggestellten Leitern und
Gerüste. Er wusste, ihr eigenes Atelier war in dem Maße aufgeräumt und sauber,
in dem in seinem das Chaos herrschte. Die Farben waren der Farbpalette entsprechend
auf der einen Seite gestapelt, und auf der anderen lagen die Bürsten und
Streichmesser, immer noch so makellos und scharf wie an dem Tag, an dem sie sie
sich zugelegt hatte.
    Serena d'Angelus — eine Frau
von recht kleiner Statur und mit jener Attraktivität gesegnet, die es ihr zum
Rätsel machte, wieso sich Männer von ihr angezogen fühlen konnten — war die
womöglich bedeutendste Malerin des Memoratoren-Ordens.
    Andere bevorzugten die
Landschaften von Kelan Roget, der mit der 12. Expedition von Roboute Guillaume
reiste, doch Ostian hielt Serenas Fähigkeiten seinen für weit überlegen.
    Auch wenn sie nicht der Meinung
ist , dachte er
und warf einen verstohlenen Blick auf die langen Ärmel ihres Kleids.
    Für Bequa Kynskas Auftritt hatte
Serena ein langes Abendkleid aus himmelblauer Seide mit einem unmöglich eng
anliegenden, goldenen Mieder ausgesucht, das ihre vollen Brüste umso stärker
betonte. Wie üblich trug sie das pechschwarze, bis zur Taille reichende Haar
offen, und es umrahmte ihr längliches ovales Gesicht mit den dunklen
Mandelaugen perfekt.
    »Du siehst wunderschön aus,
Serena«, sagte er.
    »Danke, Ostian«, antwortete
sie, blieb vor ihm stehen und zog an seinem Kragen. »Du dagegen siehst aus, als
wärst du soeben in diesem Anzug aufgewacht.«
    »Es sieht gut aus«, wandte er
ein, während sie seine Krawatte öffnete und mit äußerster Präzision neu band.
    »Gut ist aber nicht gut genug«,
beharrte sie. »Und das weißt du so gut wie ich. Wenn diese Aufführung vorbei ist,
will sich Bequa unter ihre Zuhörer mischen, und ich lasse nicht zu, dass sie
sagen kann, wir Künstler hätten sie mit unserem schäbigen und nachlässigen
Erscheinungsbild in Verlegenheit gebracht.«
    Ostian musste grinsen. »Ja, sie
hat ein recht eingeschränktes Verständnis von den bildenden Künsten.«
    »Das kommt daher, dass sie in
den Schwärmen Europas aufgewachsen ist und von vorne bis hinten verwöhnt
wurde«, sagte Serena. »Und habe ich das gerade eben richtig gehört? Du bist
bereit, mit deiner Arbeit zu beginnen?«
    »Ja«, bestätigte er.
    »Das bin ich. Ich kann jetzt
sehen, was in diesem Block steckt. Ich muss es nur noch aus dem Stein
befreien.«
    »Tja, dann bin ich überzeugt,
dass Lord Fulgrim das gern hören wird. Wie mir zu Ohren kam, musste er den Imperator
persönlich bitten, damit der Stein von der Erde hergeschafft wurde.«
    »Oh, setz mich damit bitte
nicht unter Druck ...«, konterte Ostian,
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