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Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Titel: Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
Autoren: Michael Tsokos , Saskia Guddat
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Verdacht auf sie fällt, schlagen sich ausgerechnet die offiziellen Wächter und Hüter des Kindeswohls – ob Jugendamt oder Familienhelfer (siehe Kapitel 3 ), Richter (siehe Kapitel 4 ) oder Kinderärzte (siehe Kapitel 5 ) – oftmals auf ihre Seite. Frei nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
    Eine Mutter, die ihr eigenes Kind mit siedend heißem Wasser absichtlich verbrüht? Ein Vater, der seinen kleinen Sohn mit glühenden Zigaretten malträtiert? So etwas kann es vermeintlich nur in schlechten Kriminalromanen geben. Aber die Realität ist vielfach sogar brutaler als der grausamste Psychothriller. Und das kostspieligste Kinderschutzsystem muss allzu oft wirkungslos bleiben, wenn dessen Akteure nicht willens oder imstande sind, sich der erschreckenden Wahrheit zu stellen:
    Gewalt gegen Kinder ist (nicht nur) hierzulande keineswegs die seltene Ausnahme. Kindesmisshandlung findet von Passau bis Flensburg und von Aachen bis Frankfurt/Oder tagtäglich hundertfach statt. Bei Arm und Reich, in Villen- und Brennpunktvierteln, in bildungsfernen und Akademikerfamilien. Und die Täter sind fast immer die Eltern.

Was ist eigentlich Kindesmisshandlung?
    Als Kindesmisshandlung im weiteren Sinn werden alle Erscheinungsformen von Gewalt gegen Kinder bezeichnet:
    physische Misshandlung
Vernachlässigung
psychische Misshandlung
sexueller Missbrauch
    Als Rechtsmediziner haben wir es vor allem mit den beiden erstgenannten Formen zu tun. Die Übergänge sind allerdings teilweise fließend. C. Henry Kempe, ein Pionier der modernen Kindesmisshandlungsforschung (siehe Kapitel 2 ), definierte 1972 die physische Misshandlung als
»nicht zufällige körperliche Verletzung eines Kindes infolge von Handlungen von Eltern oder Erziehungsberechtigten«.
    Bei der gegen Kinder ausgeübten physischen Gewalt lassen sich wiederum sechs Formen unterscheiden:
    Stumpfe und schürfende Gewalt durch Schlagen, Treten, Kratzen usw.
Scharfe und spitze Gewalt durch Messer, Scheren o.Ä.
Halbscharfe Gewalt durch Bisse (siehe Kapitel 7 )
Strangulation (Würgen und Drosseln)
Thermische Verletzungen durch Verbrühen und Verbrennen (siehe Kapitel 5 )
Tödliches oder schwerstschädigendes massives Schütteln von Säuglingen (Schütteltrauma – siehe Kapitel 4 )
    Die häufigsten Misshandlungsformen sind Schläge mit der flachen Hand oder der Faust, Schläge mit Gegenständen (z.B. Gürtel) und grobes Anpacken und Kneifen. Noch einmal: Wir reden nicht von dem berühmten »Klaps« – hier geht es um massive Gewalteinwirkung, die Hämatome, Platzwunden oder sogar Hirnverletzungen verursacht.
    Säuglinge und Kleinkinder bis zum vierten Lebensjahr sind am stärksten gefährdet, an den Folgen von Kindesmisshandlung zu sterben. Das ergibt sich bereits aus der offiziellen Kriminalstatistik – aber, wie gesagt, laut aktuellen Studien werden fünfzig bis sechzig Prozent der tödlich misshandelten Kinder in diesen Statistiken gar nicht erfasst.

Null Toleranz gegenüber Misshandlern
    Dies ist ein Debattenbuch aus rechtsmedizinischer Sicht: Im Mittelpunkt unserer Fallberichte, Überlegungen und Forderungen stehen die unterschiedlichsten Formen
körperlicher Kindesmisshandlung
mit oder ohne Todesfolge. Um die reine
psychische Kindesmisshandlung
(»seelische Grausamkeit«) durch Verachtung, Demütigung oder Liebesentzug geht es in diesem Buch nur am Rande: Sie ist das Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiater. Minderjährige, die von uns begutachtet werden – Lebende und Tote –, weisen manifeste physische Verletzungen auf. Indes schlägt körperliche Misshandlung stets auch seelische Wunden – und die heilen oftmals noch schwerer als Platzwunden und Knochenbrüche.
    Die
Kindstötung
ist gleichfalls nicht Gegenstand dieses Buches: Weit überwiegend sind es hier die Mütter, die ihren neugeborenen Kindern das Leben nehmen. Bei diesen Fällen haben wir es mit ganz anderen Motiven und Voraussetzungen als bei der Kindesmisshandlung zu tun.
    Das gilt mehr noch für den
Kindesmissbrauch.
Sexueller Missbrauch geht gewiss oftmals mit körperlicher Misshandlung einher (mit seelischer sowieso), gleichwohl handelt es sich um ein ganz eigenes Feld. Täterprofile, Motive und Täter-Opfer-Beziehungen sind bei Kindesmissbrauchsdelikten fast immer gänzlich andere als bei Kindesmisshandlung. Folgerichtig ist das Berliner Landeskriminalamt ( LKA 125 ), mit dem wir bei der Aufklärung von Kindesmisshandlungsdelikten eng zusammenarbeiten, auf
»Gewaltdelikte an
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