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Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Titel: Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)
Autoren: Asfa-Wossen Asserate
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schrieb: «Ein wenig spät, ihr Herren, die ihr diesen Erzzerstörer Deutschlands gemacht habt, die ihr ihm nachliefet, solange alles gut zu gehen schien, die ihr, alle Offiziere der Monarchie, unbedenklich jeden von euch gerade verlangten Treueid schworet, die ihr euch zu armseligen Mamelucken des mit hunderttausend Morden, mit dem Jammer und dem Fluch der Welt belasteten Verbrechers erniedrigt habt und ihn jetzt verratet, wie ihr vorgestern die Monarchie und gestern die Republik verraten habt.»
    Vieles hat man den Männern des 20. Juli 1944 vorgeworfen: Dass sie so lange dem Regime Hitlers gedient hatten. Dass sie erst handelten, als längst feststand, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Dass ihre Vorstellungen von der Zukunft Deutschlands weit entfernt von denen waren, die wir heute mit einer freiheitlich-parlamentarischen Demokratie verknüpfen. All das mag stimmen, aber rechtfertigt es, ihnen die Ehrung für ihre Tat zu verweigern? Stauffenberg, Tresckow, Schulenburg, Kleist, Bussche, Trott zu Solz und all die anderen bewiesen Courage und Charakter, wie sie viele andere damals nicht aufzubringen vermochten. Unter Einsatz ihres Lebens setzten sie ein Zeichen dafür, dass es ein «anderes Deutschland» gab, das sich der Barbarei Hitlers widersetzte.
    Und sie standen dabei ja weiß Gott nicht allein: Georg Elser, ein einfacher gelernter Schreiner und Tischler, wagte schon 1939, auf eigene Faust und ganz auf sich gestellt, den Tyrannenmord. Im Münchner Bürgerbräukeller, wo Hitler alljährlich zum Jahrestag seines Putschversuches vom 9. November 1923 sprach, platzierte er eine Bombe mit Zeitzünder. Der Anschlag scheiterte damals nur daran, dass Hitler entgegen seiner Gewohnheit den Ort eine halbe Stunde früher verließ, weil er wegen starken Nebels nicht mit dem Flugzeug nach Berlin zurückkehren konnte und stattdessen den Zug nehmen musste.
    In München gab es die Gruppe der Weißen Rose um Hans und Sophie Scholl, die in der Universität und anderswo Flugblätter verteilten, auf denen stand: «Wir schweigen nicht, wir sind euer böses Gewissen.» In Berlin rief die kommunistische Widerstandsgruppe der Roten Kapelle um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack zur «Gehorsamsverweigerung» auf. Es gab den Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg, der sich nach Moltkes Gut Kreisau in Schlesien benannte; und den oppositionellen Freiburger Kreis, in dem nach den Novemberpogromen 1938 Wirtschaftswissenschaftler und Mitglieder der Bekennenden Kirche zusammenfanden. Zu Letzterer gehörten auch Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer, die mutig gegen die Ideologie der Nationalsozialisten eintraten. Auch wenn die Motive und politischen Vorstellungen all dieser Frauen und Männer ganz verschieden waren: Sie sind ein Vorbild, weil sie in finsterer Zeit Mut bewiesen haben, und viele von ihnen bezahlten dafür mit dem Leben. Es sollte aber auch an die Tausenden von Menschen erinnert werden, die in Berlin und anderen Städten Juden in ihren Häusern versteckten und ihnen auf diese Weise das Leben retteten. Auch diese stillen Helden, deren Namen vielfach gar nicht bekannt sind, sind ein Beispiel für Zivilcourage.
    «Unglücklich das Land, das Helden nötig hat», heißt es bei Brecht. Die Zeiten, in denen man Angst haben musste, nachts von der Gestapo aus dem Bett geholt zu werden, wenn man ein offenes Wort riskierte, sind Vergangenheit. Die Historiker mögen sich darüber streiten, welchen Anteil das Erbe Preußens an den beiden Weltkriegen tatsächlich gehabt hat, unbestritten aber ist: Westdeutschland hat sich nach dem Krieg zu einer geradezu mustergültigen Demokratie entwickelt, und auch Ostdeutschland ist seit bald einem Vierteljahrhundert demokratisch. Das Preußisch-Soldatische ist aus dem öffentlichen Leben verschwunden, und die deutsche Gesellschaft macht einen durch und durch zivilen Eindruck. Niemand schlägt mehr die Hacken zusammen, niemand steht mehr stramm, und kaum je sieht man in der Öffentlichkeit eine Uniform.
    Allenthalben gibt man sich pazifistisch. Kein Bundeskanzler und kein Bundespräsident würde für sich den Satz in Anspruch nehmen, seine Liebe gelte dem Militär. Im Gegenteil: Die Armee erscheint heute gemeinhin als ein lästiges, aber notwendiges Übel, an das man lieber nicht erinnert werden will, es sei denn, es steht eine neue Sparrunde bevor. Jahrzehnte galt für die Bundeswehr, in Abgrenzung zur einstigen Wehrmacht Hitlers, die Parole
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