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Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Titel: Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)
Autoren: Carol Grayson
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einem Mann. Vielleicht hofft er darauf, dass dein Fall seine Erlösung sein wird. Ich könnte es mir so denken, aber ich weiß es nicht sicher“, gab der weißhaarige alte Mann zu.
    „Mein Fall?“
    „Dein Sündenfall“, erklärte der Abt mit einer Spur von Verlegenheit in der Stimme. „Kann er dich verführen und besitzen, dann wirst du auf ewig mit ihm und seinem Schicksal verbunden sein. Er braucht nicht einmal dein Blut zu trinken, denn du bist bereits vom Bösen gezeichnet durch deine Abstammung. Wenn es ihm gelingt, sich mit dir zu vereinen, so bist du der dunklen Seite geweiht. Nimmst du dann sein Blut auf, fällt auch deine Seele der Verdammnis anheim, und er wandelt dich zum Vampir.“
    Mit diesen Worten erhob sich der Abt und öffnete einen der schweren, mit Schnitzereien verzierten Schränke. Er entnahm ihm eine Metallkassette, aus der er einen Lederbeutel zog. Er reichte diesen dem jungen Mann vor ihm auf dem Stuhl. 
    „Flieh, Corbinian, hier sind genug Silberstücke für eine Kutsche. Lauf weg, solange und soweit du kannst. Jetzt können dich diese Mauern auch nicht mehr schützen, denn vor ihnen wird er dich erwarten. Und die Versuchung würde von Mal zu Mal größer für dich. Geh und pack deine Sachen!“
    Corbinian wollte noch etwas einwenden, aber da hatte der Abt ihm schon den ledernen Beutel in die Hand gedrückt und wandte sich rasch ab. Sein Schützling sollte nicht sehen, dass er weinte um diese arme Seele.
     
    In dieser Nacht verließ Corbinian Raphael Adorato das schützende Kloster in schlichter Reisekleidung, einem wärmenden Umhang und einer voll gepackten Tasche. Im Dorf wollte er die Postkutsche zur nächstgelegenen Stadt nehmen und dort eine private Kutsche mieten. Corbinian war fest entschlossen, seinen verschollenen Vater zu finden und in Richtung Tschechien zu reisen. Dabei wusste er durchaus, wie gering die Chance war, dort jemanden zu finden, der sich nach so langer Zeit noch an seinen Vater erinnern würde. Aber einen Versuch war es wert. 
    Zu Fuß eilte er die wenigen Kilometer in die Ortschaft, und zum ersten Mal sah er fast ängstlich in den Nachthimmel. Der Mond dort oben rundete sich in diesem Monat zum ersten Mal. 
    Am frühen Morgen erreichte er die Poststation, an der nur wenige Leute auf die Kutsche in die Stadt warteten. Hier war noch Zeit für einen kleinen Imbiss, den die nette Frau des Posthalters für die Reisenden vorbereitet hatte. Corbinian achtete wohlweislich auf sein Reisegeld. Er nahm nur einen Kanten Brot und trank eine Schale frische Milch. 
    Die Postkutsche brachte Corbinian nach Schirmeck, wo er eine eigene Reisekutsche anmieten konnte, auch wenn die Pferde nicht mehr die Jüngsten waren. Die Reise durch die Vogesen war für das vierspännige Gefährt nicht ungefährlich, und an diesem Abend brach bereits die Dunkelheit herein, bevor man den nächsten Gasthof erreichte. Der junge Mann war todmüde und sehnte sich nach einem Bett. Die ungewohnt holprige Fahrt saß ihm zudem in den Knochen. Er warf einen Blick aus dem kleinen Fenster und sah, dass der riesige bleiche Mond bereits unheimlich nah erschien. Er ließ die hohen Tannen der er umgebenden Wälder wie dolchartige Silhouetten in den sternenklaren Himmel ragen. Aus der Ferne konnte er eine Eule rufen hören. Eine klagende Melodie, die Unheil verkündete.
     
    Plötzlich veränderte sich der ruhige Trab der Pferde. Der Kutscher rief einige undeutliche Worte, schien die Tiere beruhigen zu wollen, doch sie gehorchten seinen Zügeln nicht mehr und fielen in einen panischen Galopp. Das Geräusch der donnernden Hufe schien sich plötzlich zu vervielfältigen, und Corbinian warf einen ängstlichen Blick auf den Weg, der hinter ihnen lag. Über die unbefestigte Straße raste eine weitere Kutsche heran, gezogen von mächtigen Rappen in blanken Geschirren, deren Schnauben bis zu ihm hinüber drang. Panik ergriff Corbinians Herz. Der Traum im Kloster fiel ihm schlagartig wieder ein. Er wurde verfolgt!
    Mit klopfendem Herzen und kreidebleichem Gesicht drückte er sich in die Sitze mit den bereits zerschlissenen Polstern und hielt sich krampfhaft am Fensterrahmen der Kutsche fest. Die unruhige Fahrt ging über Stock und Stein, durch Pfützen, deren Schlamm durch das Fenster hinein spritzte und seine Kleidung beschmutzte. Er hatte keine Ahnung, wo er sich gerade befand. Er hoffte nur, dass dieser Alptraum bald ein Ende haben würde und er diese Fahrt überlebte. Was würde passieren, wenn plötzlich
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