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Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Titel: Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)
Autoren: Carol Grayson
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Schnitzereien verzierten Stuhl. „Um eine Entscheidung zu treffen, sollst du aber nun die ganze Wahrheit über deine Herkunft erfahren. Bitte setz dich, mein Sohn, ich muss dazu etwas weiter ausholen.“ 
    Mit diesen geheimnisvollen Worten deutete der Klostervorsteher auf einen Stuhl und nahm aus einem Fach in seinem Schrank ein kleines braunes Holzkästchen heraus, das er vor Corbinian auf den Schreibtisch stellte. 
    „Die Gerüchte, die um deine Herkunft kursieren, sind mir wohl bekannt“, fuhr der alte Hüter des Klosters fort, „ aber er sind nur die halbe Wahrheit.“ 
    Corbinians Augen weiteten sich voller Erwartung. Endlich würde er mehr über sich selbst erfahren. Ungeduldig knetete er die Hände in seinem Schoß. 
    Der Abt betrachtete den jungen Mann aus seinen blaugrauen Augen voller Sorge, als er wieder hinter dem Schreibtisch Platz nahm. 
    „Nun, du bist tatsächlich der Sohn eines Priesters“, begann er das Gespräch erneut, „der einige Jahre in unserer kleinen Dorfkirche seinen Dienst tat. Doch das war kein gewöhnlicher Priester. Sein Name war Theodor van Helsing, ein direkter Nachkomme des berühmten Vampirjäger Abraham van Helsing.“ 
    Corbinian starrte den Abt ungläubig an. 
    Dieser nickte nur bestätigend.
    „Und meine Mutter?“, fragte das Findelkind nun. 
    „Hm, nun, deine Mutter“, der Abt zögerte, schien nach den richtigen Worten zu suchen, „wenn wir den Worten deines Vaters Glauben schenken, dann soll sie eine mächtige Vampirin gewesen sein. Dein Vater wurde offenbar von diesem Engel der Nacht verführt. Auch wenn er seine eigene Seele nicht retten konnte, so hat er doch alles getan, um dich zu finden und zu uns zu bringen, damit wenigstens du in der Obhut des Herrn aufwächst. Du trägst nun beides in dir, mein Sohn, Gut und Böse, genau wie jeder von uns Menschen. Nur dir wird die Entscheidung für eine Seite schwerer fallen. Die Träume, von denen du mir einmal berichtet hast, bereiten mir Sorge, denn sie zeigen mir, dass der Fluch des Blutes bereits nach dir greift. Dein klarer Verstand lehnt dies natürlich ab. Aber es gibt nun einmal mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als die Menschen sich zu erträumen wagen.“ Mit einem Seufzer endete der Klostervorsteher diesen letzten Satz und bekreuzigte sich hastig. 

Corbinians Gedanken wirbelten wie Herbstblätter durch seinen hübschen Kopf. Er fragte sich, ob er nicht auch jetzt träumte und gleich aufwachen würde. Dennoch hatte er das unbestimmte Gefühl, dass der alte Abt etwas vor ihm verbarg. Als hätte Bruder Laurentius seine Gedanken erraten, lächelte er.
    „Das hier“, er deutete dabei mit seiner faltigen Hand auf das Kästchen vor Corbinian, „sind die Vermächtnisse deines Vaters. Nimm sie und wenn du deine Entscheidung getroffen hast, komm wieder zu mir, mein Sohn. Und vergiss nicht, in diesen Mauern bist du sicher, solange du es willst.“ Wie in Trance ergriff sein Zögling das braune Holzkistchen und ging in seine Kammer, um es dort zu öffnen. 
* * *
     
    Die Briefe seines Vaters erzählten eine abenteuerliche Geschichte. Es war die Geschichte eines jungen Mannes, der sein Leben der Kirche weihte, die Einsamkeit eines ländlichen Lebens suchte und dann doch der Verführung durch das pure Böse in Gestalt einer wunderschönen Frau erlag. Als er erfuhr, dass diese Schlange sein Kind unter dem Herzen trug, hatte Theodor van Helsing sie verfolgt, um ihr kurz nach der Geburt das Kind zu entreißen und ihr einen Pflock ins Herz zu treiben, denn sie war eine Untote, eines jeder Wesen, die sein Vorfahr Abraham so erbittert bekämpft hatte. Quer durch Deutschland führte seine Flucht vor den beiden Brüdern der Vampirin, die ihm Rache geschworen hatten, bis vor die Tore dieses Klosters, wo er erschöpft das Kind aussetzte. Er selbst floh weiter, um seine Verfolger auf eine falsche Fährte zu locken. Einer der Briefe warnte seinen Sohn eindringlich davor, das Reich der Untoten zu betreten, so sehr es ihn auch locken würde!
     
    Corbinians Herz klopfte bis zum Hals, als er diese Worte las. Deshalb also träumte er jede Nacht von Blut, aber was hatte es mit diesem einen Namen auf sich? Den Namen Dominic konnte er in den Schriftstücken nirgendwo entdecken. Noch immer fiel es sein schwer, die wirren Gedanken zu ordnen. War er jetzt eigentlich ein Mensch oder irgendein Halbwesen? Hatte er überhaupt eine Seele? War das der Grund, warum er niemals zu solch einem tiefen Glauben gefunden hatte wie
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