Des Satans Schatten
Ich konnte hören, wie sie eingedenk meines Rates die Tür sofort hinter sich verschlossen.
Ich zog mein Wams aus und öffnete mein Hemd, blieb aber ansonsten voll bekleidet. Gewiss, die bisherige Reise hatte uns mit keinem Vorkommnis konfrontiert, das mir eine unmittelbar bevorstehende Gefahr aufgezeigt hätte, schon gar nicht eine so gewichtige, dass man um Leib oder Leben hätte bangen müssen. Ich hatte bislang nur deshalb so vorsichtig, im Grunde sogar übervorsichtig reagiert, weil mir dieses Verhalten mit den Jahren in Fleisch und Blut übergegangen war.
Dies mag euch Leichtfertigen unter meinen Zuhörern als überzogen erscheinen, doch hat es mir in der Vergangenheit mehr als einmal den Kopf gerettet.
Und noch etwas hatte sich während meiner Zeit im Dienste des Bischofs förmlich in mich eingebrannt: ein Gespür dafür, wann etwas in der Luft lag, ein Gefühl, dass sich etwas ereignen würde.
Es ging mir da nicht anders als den Schlangen, die aus ihren Verstecken krochen, wenn ein Beben der Erde bevorstand, oder den Kaninchen, die ihre Baue verließen, weil sie merkten, dass der Fluss über die Ufer treten und ihre Höhlen überschwemmen würde.
Eben dieses Gefühl hatte mich auch jetzt wieder ergriffen, als ein leichtes Kribbeln durch meine Haut lief, während ich, auf dem Bett liegend, mit geöffneten Augen in die Schwärze starrte. Dolch und Rapier lagen auf dem Tisch neben einer Kerze mit Zunder und Feuerstein. Eine Pistole steckte in meiner Satteltasche, die ich über einen Schemel gehängt hatte. Die zweite Pistole ruhte neben mir, der Kolben unter meiner Hand. Ich wartete. Ich wusste zwar nicht, worauf, aber ich wartete.
Wie viel Zeit vergangen war, kann ich nicht angeben, doch ich war noch hellwach, als Gelärme, Gepolter und weingeschwängertes Kichern anzeigten, dass sich die Kaufleute auf ihre Zimmer verfügten, die noch ein Stockwerk über unseren lagen. Kurz danach ein kaum vernehmbares Scharren und knappes Murmeln, die unauffälligen Männer begaben sich zu Bett.
Anschließend nur noch die üblichen Geräusche der Nacht, wenn sich winzige Käfer tickend durch die Fachwerkbalken fraßen, Dielen von der Abkühlung knarrten, und von draußen der abgehackte Todesschrei eines kleinen Pelztieres zu vernehmen war, das mit seiner Unachtsamkeit die Jagd einer Eule belohnt hatte.
Ihr werdet es sicher schon selbst erraten haben, meine erfahrenen Freunde, dass es mit fortschreitendem Alter selbst in gefährlichen Situationen zunehmend schwieriger wird, die nötige Konzentration aufzubringen. Dies gilt umso mehr, wenn die Lage gar nicht so gefahrenträchtig erscheint und einen überdies die Strapazen einer Reise plagen, die man in der Jugend kaum bemerkt hätte. Kurzum, irgendwann schob auch ich die Pistole weiter von mir, um mich nicht versehentlich auf sie zu wälzen, schloss hin und wieder für Sekunden die Augen, Sekunden, die sich mehr und mehr aneinander reihten, und fiel letztlich in einen leichten Schlaf.
Einen leichten, Gott sei Dank, denn als ich erste, verhaltene Geräusche auf dem Korridor vernahm, schreckte ich sogleich auf und tastete instinktiv nach meiner Waffe. Ich hatte gerade die Kerze entzündet, als auf dem Flur ein Schrei erstickt wurde, kaum, dass er zur vollen Stärke anschwellen konnte.
Mag sein, dass es nicht mehr ganz so behände ging wie in früheren Jahren, doch immerhin erschien ich, Pistole und Kerze in den Händen, die zweite Waffe im Gürtel, gerade noch rechtzeitig auf der Bühne, um den ersten Akt der Entführung meines Gefährten Stapelmann mitzubekommen. Die beiden Kerle, die ihn gepackt hatten, während ein dritter dabei war, ihm mit einem Schal den Mund zu verstopfen, trugen zwar dunkelfleckige Kutten mit Kapuzen, doch hegte ich keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei ihnen um die Personen handelte, die sich vorhin im Schankraum so unerwartet geschickt gegeben hatten. Sie hatten das mit einem Nachthemd und einer dünnen Strickmütze angetane Kerlchen, das ebenso wild wie erfolglos herumstrampelte, schon hochgehoben und waren im Begriff, es die rückwärtige Treppe hinunterzuschleppen, als sie mich gewahrten.
Die beiden, die den zappeligen Rodger bändigten, waren hin- und hergerissen zwischen der Absicht, ihre Beute fallen zu lassen, um mich anzugreifen, und dem Versuch, ihren Abgang im Eiltempo und ohne Rücksicht auf entstehenden Lärm fortzusetzen. Der Dritte, dessen Augen starr auf meine Pistole gerichtet waren, verspürte wenig Lust, es alleine mit
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