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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Autoren: Gustav A Horn
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OECD Economic Outlook; eigene Berechnungen
    Der Sachverständigenrat verwendet noch ein weiteres Argument als Beleg für einen Erfolg der Reformen. Er berechnet mittels
     üblicher statistischer Verfahren eine strukturelle Arbeitslosenquote. Diese zeigt an, wie hoch die Arbeitslosigkeit wäre,
     wenn sich die Volkswirtschaft in einer Art Gleichgewichtszustand befinden würde. 5* 16 So sollen vor allem konjunkturelle Effekte ausgeblendet werden. Diese Rate ist nach den Berechnungen des SVR seit den Reformen
     leicht zurückgegangen, nämlich um 0,3 Prozentpunkte. Interessant ist ein Vergleich, den Sturn und van Treeck vornehmen. 17 Sie untersuchen mit der gleichen Methode wie der Sachverständigenrat, wie sich die strukturelle Arbeitslosigkeit in anderen
     Zyklen und in anderen Ländern |42| verändert hat. Anhand eines Vergleichs der Größenordnungen lassen sich bessere Schlussfolgerungen im Hinblick auf die quantitative
     Bedeutung der Reformen ziehen.
    Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie begrenzt die Wirksamkeit der Reformen ist. Da die strukturelle Arbeitslosenquote in früheren
     Zyklen in etwa gleicher Größenordnung anstieg, könnte man das Resultat im jüngsten Zyklus zumindest als eine Art vorsichtige
     Trendwende bezeichnen. Allerdings ist schon erstaunlich, dass in anderen Ländern und auch im Euroraum insgesamt die strukturelle
     Arbeitslosigkeit im jüngsten Aufschwung deutlich stärker zurückgegangen ist. So sank sie in Spanien und Italien – also in
     Ländern, die im fraglichen Zeitraum nicht durch übermäßige Reformanstrengungen auf dem Arbeitsmarkt aufgefallen waren – um
     jeweils 0,7 Prozent. Im Euroraum insgesamt ging sie um 0,4 Prozent zurück. Das Resultat für Deutschland ist im internationalen
     Vergleich also völlig unauffällig. Die hingegen im internationalen Vergleich sehr auffälligen Reformen haben demzufolge die
     strukturelle Arbeitslosigkeit nicht besonders stark reduziert. Vor allem der Rückstand zu Spanien und Italien lässt darauf
     schließen, dass eher andere Faktoren als die Arbeitsmarktreformen für den Pfad der strukturellen Arbeitslosigkeit entscheidend
     sind.
    Diese Vermutung erhärtet sich aus meiner Sicht, wenn man auf die weiteren Resultate von Sturn und van Treeck schaut. Sie führen
     einen ähnlichen Zyklenvergleich für andere Länder des Euroraums und den Euroraum insgesamt durch. Das Ergebnis im Hinblick
     auf die Beschäftigung deckt sich mit dem für die strukturelle Arbeitslosigkeit: Es ist völlig unauffällig. Die Zahl der Beschäftigten
     stieg in Frankreich, Spanien, Italien und dem Euroraum insgesamt zum Teil deutlich stärker als in Deutschland. Bei den Arbeitsstunden
     hinkt Deutschland ebenfalls hinter Frankreich und Italien her. 6* Allein im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit weist Deutschland einen stärkeren Rückgang auf, wobei die Langzeitarbeitslosen, die |43| eigentliche Zielgruppe der Reformen, hiervon am wenigsten profitierten.
    Wenn ich mir das Gesamtbild der vorläufigen Wirkungen ansehe, die von den Arbeitsmarktreformen auf die Lage am Arbeitsmarkt
     ausgingen, macht sich Enttäuschung breit. Der verschärfte Druck zeigte zwar Wirkung, aber dieser beschränkte sich primär auf
     jene Arbeitslosen, denen es sowieso leichter fiel, Arbeit zu finden. Schaut man sich den zentralen Faktor »Beschäftigung«
     an, ist die Wirkung der Reformen als marginal zu bewerten. Viel Lärm also um wenig.
    Betrachtet man aus heutiger Sicht insgesamt die Wirtschaftspolitik des vergangenen Jahrzehnts und dabei vor allem die Zeit
     direkt vor der Krise, fügt sich alles zu einem merkwürdig unscharfen Bild. Vor allem in der zweiten Legislaturperiode der
     rot-grünen Bundesregierung ist die Wirtschaftspolitik geprägt von einer einzelwirtschaftlichen Sichtweise, nicht zuletzt von
     der Bewunderung individuellen Reichtums und letztlich der individuellen Verantwortung eines jeden für sein ökonomisches Schicksal.
     Beispielhaft hierfür sind die öffentlichen Kampagnen über das Schicksal von Arbeitslosen zu nennen. Es wird ihnen unterstellt,
     sie seien primär selbst schuld an ihrer Arbeitslosigkeit und müssten sich einfach mehr anstrengen, oder sie werden als Schmarotzer
     des Sozialsystems beschrieben (so der berüchtigte »Florida Paul« in der BILD-Zeitung). Jeder muss eben wissen, wo er bleibt.
     Gleichzeitig scheinen die Politiker das Interesse an gesamtwirtschaftlich orientierter Wirtschaftspolitik verloren zu haben.
     So spielt insbesondere
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