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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Autoren: Gustav A Horn
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Regeln gelten. Es sollten auch keine ohnehin schwer einzutreibenden Strafen verhängt
     werden. Ich stelle mir stattdessen positive Anreize vor, die gesetzt werden, damit die einzelnen Länder sich aus eigenem Interesse
     stabilitätsgerecht verhalten. Man muss bei der Leistungsbilanz ansetzen. Darin zeigt sich, ob sich ein Problem entwickelt.
     Konkret heißt das: Die Leistungsbilanzen müssen ständig aus europäischer Sicht überwacht werden. In Zukunft muss sowohl die
     Staatsverschuldung als auch die private Verschuldung im Blickfeld der Aufseher stehen. Man muss sich mit den Ursachen beschäftigen
     und genau beobachten, ob die Inflationsrate in der betreffenden Volkswirtschaft dem Ziel der Preisstabilität entspricht. Ist
     die Inflationsrate zu hoch, wie es in Spanien und Griechenland über Jahre hinweg der Fall war, sollte die EU-Kommission Vorschläge
     erarbeiten, wie durch eine restriktive Finanzpolitik oder Regulierungs- beziehungsweise Deregulierungsmaßnahmen gegengesteuert
     werden könnte. Diese Maßnahmen sollten dazu führen, dass die Lohnabschlüsse niedriger ausfallen.
    Das Gleiche gilt mit gegensätzlichem Vorzeichen für Staaten, deren Leistungsbilanz ständig und möglicherweise wachsende Überschüsse
     aufweist. Hier müsste die Finanzpolitik tendenziell expansiver sein und die Lohnabschlüsse sollten höher ausfallen. All das
     können jedoch immer nur Ratschläge, aber keine Verpflichtungen gegenüber souveränen Nationalstaaten sein. Die EU-Kommission
     sollte aber Jahr für Jahr festhalten, ob die Staaten sich an diese Ratschläge halten oder nicht.
    Falls die Antwort Nein ist, wäre im Übrigen kein europäischer Zusammenbruch zu befürchten. Mithilfe der EZB, die alle Staatspapiere
     aufkaufen kann, und mit einem europäischen Rettungsschirm können alle Attacken der Finanzmärkte ad infinitum abgewehrt werden.
     Allerdings wäre man auf diese Weise genau bei jener Transferunion angelangt, die man ja eigentlich vermeiden wollte. Darüber
     hinaus |250| stellt sich die Frage, wie lange die Bürger bereit wären, über Steuermittel einen Rettungsschirm für Staaten und Gläubiger
     zu finanzieren, die permanent gegen die Stabilitätsprinzipien verstoßen und die Risiken auf die Steuerzahler abwälzen – und
     die sich selbst an den hohen Renditen schadlos halten.
    Es gibt aber noch einen anderen Weg. Sollten die Leistungsbilanzungleichgewichte erneut eine Krise auslösen, verwirken in
     Zukunft genau die Staaten den Anspruch auf europäische Hilfe, die sich nicht an die Ratschläge der EU-Kommission gehalten
     haben. Für sie gibt es keinen Rettungsschirm, und die EZB dürfte auch nicht oder nur mit hohen Abschlägen ihre Staatspapiere
     aufkaufen.
    Stattdessen sollte es für diese Länder, falls sie unter diesen Voraussetzungen ihre Schulden nicht mehr bedienen können, ein
     geregeltes Insolvenzverfahren geben. Dieses beteiligt dann auch die Gläubiger an den Kosten der Krise. Die Gläubiger wissen
     bereits dank der Beurteilung der EU-Kommission im Voraus, ob ein Anspruch auf Unterstützung besteht oder nicht. Entsprechend
     wird sich der Verstoß gegen die Ratschläge schon früher in Zinsaufschlägen für Staatsanleihen bemerkbar machen und damit einen
     handfesten finanziellen Anreiz liefern, sich brav an die Ratschläge zu halten. Das Gleiche gilt auch für die Überschussstaaten.
     Für sie ist der Druck zwar geringer, da sie sich nicht unmittelbar in eine Verschuldungssituation hinein bewegen, aber ihre
     Staatsanleihen verlieren gleichfalls an Attraktivität, wenn keine europäische Garantie mehr besteht. Zugleich sollten im Fall
     einer Krise sämtliche EU-Transfers an notorische Überschussländer gestoppt werden. Das erhöht die potenziellen Kosten. Sie
     wären von einer europäischen Krise ohnehin hart betroffen, da vor allem ihr Auslandskapital entwertet wird.
    Mit einem solchen institutionellen Rahmen ließe sich die europäische Währungsunion wetterfester machen. Dieser Schutz könnte
     so lange halten, bis die Umstände für weitere politische Fortschritte bei der europäischen Integration wieder günstiger werden.
     Vielleicht muss erst eine neue Generation von Politikern und Ökonomen |251| heranwachsen, die in der Lage und willens ist, die derzeit vorherrschenden nationalen Reflexe zu überwinden. Von den künftigen
     Ökonomen erhoffe ich mir ein gesamtwirtschaftliches Denken in den Grenzen der europäischen Währungsunion. Nicht mehr und nicht
     weniger.

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