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Des Lebens Überfluß

Des Lebens Überfluß

Titel: Des Lebens Überfluß
Autoren: Ludwig Tieck
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eindrechseln, daß sie eben die Komplimente machten und solche Redensarten von sich gäben. So sind wir, mein Schatz, wie Adam und Eva hier in unserm Paradiese, und kein Engel kommt auf den ganz überflüssigen Einfall, uns daraus zu vertreiben.
    Nur, sagte sie etwas kleinlaut, fängt das Holz an, ganz einzugehen, und dieser Winter ist der härteste, den ich bis jetzt noch erlebt habe.
    Heinrich lachte. Sieh, rief er, ich muß aus purer Bosheit lachen, aber es ist darum noch nicht das Lachen der Verzweiflung, sondern einer gewissen Verlegenheit, da ich durchaus nicht weiß, wo ich Geld hernehmen könnte. Aber finden müssen sich die Mittel; denn es ist undenkbar, daß wir erfrieren sollten bei so heißer Liebe, bei so warmen Blut! Pur unmöglich!
    Sie lachte ihn freundlich an und erwiderte: Wenn ich nur, so wie Lenette, Kleider zum Verkaufen mitgebracht, oder überflüssige Messingkannen und Mörser oder kupferne Kessel in unsrer kleinen Wirtschaft umherständen, so wäre leicht Rat zu finden.
    Ja wohl, sprach er mit übermütigem Ton, wenn wir Millionärs wären, wie jener Siebenkäs, dann wäre es keine Kunst, Holz anzuschaffen und selbst bessere Nahrung.
    Sie sah im Ofen nach, in welchem Brot in Wasser kochte, um so das kärglichste Mittagsmahl herzustellen, welches dann mit einem Nachtisch von weniger Butter beschlossen werden sollte. Während Du, sagte Heinrich, die Aufsicht über unsre Küche führst und dem Koch die nötigen Befehle erteilst, werde ich mich zu meinen Studien niedersetzen. Wie gern schriebe ich wieder, wenn mir nicht Tinte, Papier und Feder völlig ausgegangen wären; ich möchte auch wieder einmal etwas lesen, was es auch sei, wenn ich nur noch ein Buch hätte.
    Du mußt denken, Liebster, sagte Clara und sah schalkhaft zu ihm hinüber; die Gedanken sind Dir hoffentlich noch nicht ausgegangen.
    Liebste Ehefrau, erwiderte er, unsre Wirtschaft ist so weitläuftig und groß, daß sie wohl Deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt; zerstreue Dich ja nicht, damit nicht unsre ökonomischen Verhältnisse in Verwirrung geraten. Und da ich mich jetzt in meine Bibliothek begebe, so laß mich vor jetzt in Ruhe; denn ich muß meine Kenntnisse erweitern und meinem Geiste Nahrung gönnen.
    Er ist einzig! sagte die Frau zu sich selber und lachte fröhlich; und wie schön er ist!
    So lese ich denn wieder in meinem Tagebuche, sprach Heinrich, das ich ehemals anlegte, und es interessiert mich, rückwärts zu studieren, mit dem Ende anzufangen und mich so nach und nach zu dem Anfange vorzubereiten, damit ich diesen um so besser verstehe. Immer muß alles echte Wissen, alles Kunstwerk und gründliche Denken in einen Kreis zusammenschlagen und Anfang und Ende innigst vereinigen, wie die Schlange, die sich in den Schwanz beißt – ein Sinnbild der Ewigkeit, wie Andre sagen: ein Symbol des Verstandes und alles Richtigen, wie ich behaupte.
    Er las auf der letzten Seite, aber nur halblaut: Man hat ein Märchen, daß ein wütender Verbrecher, zum Hungertode verdammt, sich selber nach und nach aufspeiset; im Grunde ist das nur die Fabel des Lebens und eines jeden Menschen. Dort blieb am Ende nur der Magen und das Gebiß übrig, bei uns bleibt die Seele, wie sie das Unbegreifliche nennen. Ich aber habe auch, was das Äußerliche betrifft, in ähnlicher Weise mich abgestreift und abgelebt. Es war beinah lächerlich, daß ich noch einen Frack nebst Zubehör besaß, da ich niemals ausgehe. Am Geburtstage meiner Frau werde ich in Weste und Hemdärmeln vor ihr erscheinen, da es doch unschicklich wäre, bei hoffähigen Leuten in einem ziemlich abgetragenen Überrock Cour zu machen.
    Hier geht die Seite und das Buch zu Ende, sagte Heinrich. Alle Welt sieht ein, daß unsre Fracks eine dumme und geschmacklose Kleidung sind, Alle schelten diese Uniform, aber Keiner macht, so wie ich, Ernst damit, den Plunder ganz abzuschaffen. Ich erfahre nun nicht einmal aus den Zeitungen, ob andre Denkende meinem kühnen Beispiele und Vorgange folgen werden.
    Er schlug um und las die vorige Seite: Man kann auch ohne Servietten leben. Wenn ich bedenke, wie unsere Lebensweise immer mehr und mehr in Surrogat, Stellvertretung und Lückenbüßerei übergegangen ist, so bekomme ich einen rechten Haß auf unser geiziges und knickerndes Jahrhundert und fasse, da ich es ja haben kann, den Entschluß, in der Weise unsrer viel freigebigem Altvordern zu leben. Diese elenden Servietten sind ja, was selbst die heutigen Engländer noch wissen und verachten,
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