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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten
Autoren: Santa Montefiore
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Schatz?«
    »Ja, obwohl ich auch nicht gut darin bin. Es hat Spaß gemacht, herumzuprobieren, und er war ein so netter Mann. Es war eine Freude, ihn den Sommer über bei uns zu haben. Er hat uns richtig gefehlt, als er wieder weg war. In den Monaten war er praktisch ein Teil der Familie geworden.«
    »Wie ich es ebenfalls möchte. Nichts ist besser, als die Ärmel aufzukrempeln und loszulegen. Volle Kraft voraus.«
    »Unbedingt«, sagte Grey, der ihre Herzlichkeit amüsant fand. Der Kellner brachte ihm seinen Kaffee zusammen mit dem Kräutertee und einem Glas Grapefruitsaft.
    Elizabeth legte ihre Zigarette in den Aschenbecher. »Lassen Sie mich Ihnen jetzt zeigen, was ich mache.« Abermals tauchte sie in ihre Tasche und förderte ein schwarzes Fotoalbum zutage. »Leider sind meine Arbeiten zu groß, als dass ich sie mitnehmen konnte. Außerdem hängen einige meiner Gemälde in Königshäusern, und Sie werden verstehen, dass ich nicht einfach hingehen und fragen kann, ob ich sie ausleihen darf, nicht? Aber die Fotos liefern Ihnen einen recht klaren Eindruck.« Sie reichte Grey das Album. Marina rückte ihren Stuhl näher zu ihrem Mann und stupste ihn mit dem Ellbogen an. »Ich kann richtig gut mit Leuten umgehen«, fuhr Elizabeth fort. »Sie wissen ja, es ist eine Sache, malen zu können, aber eine ganz andere, zu unterrichten. Ich habe das Glück, in beidem begabt zu sein.« Grey stupste zurück.
    Sie blätterten die Fotografien durch, die von Pferden in Kohle gezeichnet bis hin zu Stillleben in Öl reichten. Es bestand kein Zweifel, dass Elizabeth Talent hatte, auch wenn ihre Arbeit nicht jene Seele besaß, die Balthazar Bascobalenas melancholische Boote zeigten, oder sein Flair. Sie war extrem gut, aber seelenlos. »Sie sind sehr talentiert, Elizabeth«, sagte Marina bemüht enthusiastisch.
    »Danke. Man liebt, was man tut, und ich denke, das sieht man, nicht?«
    »Oh ja, sieht man wirklich«, bestätigte Grey, wohingegen Marina keinerlei Spur von Freude in den Arbeiten erkennen konnte.
    Elizabeth beendete eine Zigarette und steckte sich die nächste an. Während sie an ihrem Tee nippte, fiel Marina auf, dass sich ihre Gesichtszüge entspannten. Plötzlich sah sie alt und traurig aus, wie eine Schauspielerin, die es leid war, ihre Rolle zu spielen. Marina empfand einen Hauch von Mitleid, obwohl sie es nicht erwarten konnte, Elizabeth loszuwerden.
    »Sie war furchtbar«, sagte sie zu ihrem Mann, sowie Elizabeths Wagen die Einfahrt hinunter verschwunden war.
    »Man muss viele Frösche küssen, ehe man seinen Prinzen findet. Vielleicht gilt dasselbe für deine Künstler.«
    »Also ehrlich, Grey. Ich nehme an, du findest das alles sehr witzig.«
    »Ich bin amüsiert.«
    »Na, wenigstens einer von uns.«
    Er legte seinen Arm um sie und drückte sie liebevoll. »Schatz, du musst es mit Humor nehmen. Die Welt ist voll von wunderbaren Menschen – wunderbar schrecklichen und wunderbar angenehmen. Elizabeth Pembridge-Hughes war auf jeden Fall unterhaltsam.«
    »Ich könnte es genauso genießen wie du, wäre ich nicht so besorgt.«
    »Es gibt nichts, worum du dir Sorgen machen musst. Am Ende wird alles gut. Betrachte es als Studium der menschlichen Natur.«
    Sie grinste. »Woraus ich schließe, dass Gott ebenfalls Humor hat.«
    »Ja, aber ich denke, dass er es ernst meinte, als er dich schuf.« Er lachte, und Marina konnte nicht anders, sie musste mit ihm lachen.
    Mittags schlenderte Harvey Dovecote in die Empfangshalle. Der überzeugte Junggeselle arbeitete schon von Anfang an für Grey und Marina. Er war der Verwalter des letzten und betrüblicherweise so gar nicht begüterten Duke of Somerland gewesen. Mit seinen inzwischen fünfundsiebzig Jahren erledigte er heute nur noch Kleinigkeiten für Marina, was ihn indes nicht daran hinderte, ausnahmslos in einem Blaumann und einer Tweed-Schirmmütze herumzulaufen. Die Stammgäste waren entzückt von ihm, weil er seiner Arbeit mit unverwüstlichem Optimismus und Charme nachging. Er war so etwas wie ein Faktotum, gehörte genauso fest zum Gebäude wie die Ziegelsteine und der Mörtel, und Marina verließ sich vollkommen auf seinen geerdeten Verstand. Er harkte Laub, füllte Kaminkörbe, flickte kaputte Rohre und reparierte Lichtschalter. Es gab nichts, was er nicht konnte, und er besaß die Energie eines mindestens zwanzig Jahre jüngeren Mannes.
    Harvey war drahtig und fit, hatte schütteres graues Haar und ein längliches, klug dreinblickendes Gesicht, das immerzu lächelte.
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