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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord
Autoren: Helene Tursten
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Papierchen von Süßigkeiten. Auch im Handschuhfach fand sich so einiges, aber nichts von Interesse für Irene.
    Der Kofferraum war ein einziges Durcheinander, was für ältere Autos typisch ist. Hier lag wirklich eine Tasche mit Werkzeug, aber in dieser war kein Schraubenzieher. In der Tasche gab es Teile eines Steckschlüsselsatzes, ein Fläschchen Nähmaschinenöl, einen kleinen Wagenheber und einen Kreuzschlüssel. Sie hob die Tasche hoch, um dahinter schauen zu können.
    In dem schwachen Licht sah sie plötzlich ganz hinten im Kofferraum Stahl aufblitzen. Sie beugte sich vor, um den Metallgegenstand hervorzuziehen. Als ihre behandschuhten Finger sich vorsichtig um das kalte Metall schlossen, setzte ihr Herz einen Schlag aus.
    Sie richtete sich auf und hielt den Gegenstand vorsichtig mit zwei Fingern gegen das schwache Licht, um besser sehen zu können.
    Im Unterbewusstsein nahm sie einen bekannten Duft wahr und reagierte blitzschnell. Sie warf den Metallgegenstand zurück und klammerte sich an der Kante des Kofferraums fest. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte machte sie einen Satz zurück und trat mit beiden Beinen nach hinten aus. Mit einem dumpfen Schlag traf sie die Person hinter sich. Ein ersticktes »Uff« und ein schwerer Fall gegen das Garagentor bestätigten, dass der schwere Tritt getroffen hatte. Dennoch war es dem Angreifer gelungen, ebenfalls einen harten Treffer zu landen. Doch statt Irenes Kopf, wie beabsichtigt, traf er die Wade. Irene spürte, wie etwas barst. Eine Sekunde später hatte sie bereits jedes Gefühl im rechten Fuß verloren. Das Bein trug sie nicht mehr.
    Sie warf sich auf dem linken Bein herum und sah, wie Carina sich an das Garagentor gestützt aufzurichten suchte. Sie hielt die linke Hand gegen das Brustbein gepresst, wo der Tritt sie erwischt hatte. Als Irene Carinas Kleider sah, musste sie an Ninja-Krieger denken. Sie trug schwarze Trikothosen und ein enges schwarzes T-Shirt. Unter dem T-Shirt zeichneten sich ihre gut trainierten Muskeln ab.
    Wo war Tommy? Warum war er Carina nicht gefolgt? Er musste doch gesehen haben, wie sie sich in die Garage geschlichen hatte. Aus den Augenwinkeln sah Irene in diesem Augenblick eine halb offene Tür direkt neben dem Garagentor. Da verstand sie, dass man die Garage auch durch das Kellergeschoss betreten konnte. Tommy hatte keine Ahnung, was sich hier gerade abspielte. Und dass sie gerade Irenes Unterschenkel mit einem großen und schweren Engländer zerschlagen hatte, konnte er auch nicht wissen.
    Carina hatte sich jetzt wieder auf die Füße gearbeitet und beugte sich zum Engländer vor. Sie stöhnte laut, als sie sich bewegte, was Irene unerhört freute. Das Brustbein und einige Rippen waren wahrscheinlich gebrochen. Ihre Voraussetzungen waren jetzt nicht mehr so unausgewogen. Der größte Unterschied war jedoch, dass Carina eine Waffe in der Hand hielt, während Irene unbewaffnet war. Aber Irene war im Jiu-Jitsu sehr weit gekommen, und von diesem Kampfsport verstand Carina vermutlich überhaupt nichts. Auf Carinas Pluskonto war zu verbuchen, dass sie extrem stark und durchtrainiert war und außerdem vollkommen verrückt und lebensgefährlich.
    So schnell sie konnte, wich Irene ins Innere der Garage zurück, um das Auto zwischen sich und Carina zu bringen. Hinter der Motorhaube wurde es eng. Das streikende Bein behinderte sie und machte ihre Bewegungen unbeholfen. Irene übertrieb ihre Probleme, um ihrer Angreiferin das Gefühl der Sicherheit zu geben. Ein triumphierendes Funkeln tauchte jetzt in Carinas wahnsinnigen Augen auf. Sie verzog die Oberlippe zu einem höhnischen Grinsen und begann, sich Irene zu nähern. Diese stand jetzt auf der anderen Seite der Motorhaube des Mazda. Carina fixierte sie. Ziemlich lange verweilten sie so, ohne etwas zu sagen. Schließlich brach Irene das Schweigen.
    »Carina. Machen Sie nicht alles nur noch schlimmer. Meine Kollegen wissen, dass ich bei Ihnen bin. Sie stehen bereits unter Verdacht und haben keine Chance, davonzukommen. Es ist vollkommen sinnlos, dass sie jetzt noch über mich …«
    Carina stieß ein Geräusch aus, das einem Ruf und einem Zischen glich. Dann sprang sie auf den Kühler des Mazda. Den Engländer hielt sie schräg vor sich. Sie plante offenbar einen kräftigen Rückhandschlag auf Irenes Kopf.
    Das passte dieser perfekt. Sie machte zwei Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Jetzt sah sich Carina gezwungen, vom Kühler herabzuspringen und mindestens einen
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