Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zweite Messias

Titel: Der Zweite Messias
Autoren: Glenn Meade
Vom Netzwerk:
einem Camp in Qumran. Es ist ein warmer Frühlingstag, und er beobachtet seine Eltern, die schwitzend auf einem Hügel oberhalb der alten Ruinengraben. In seinem Traum rennt Jack den Hügel zu seinen Eltern hinauf. Sie sehen ihn, winken und breiten die Arme aus, um ihn zu begrüßen. Doch je weiter er sich ihnen nähert, umso mehr verblasst ihr Bild …
    Jack blinzelte. Er spürte, dass seine Augen feucht geworden waren. Er wusste, warum dieser Traum stets wiederkehrte: Er hatte seine Eltern von ganzem Herzen geliebt. Sein Vater war ein gutmütiger Mann mit durchdringenden blauen Augen und einem ansteckenden Lachen, der seine Begeisterung für die Archäologie am liebsten mit jedem geteilt hätte. Seine Mutter hatte ein hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen und kastanienbraunes Haar. Jack erinnerte sich an eine warmherzige Frau, die so viel Fröhlichkeit ausstrahlte, dass sie eine gedrückte Stimmung jederzeit vertreiben konnte.
    Einer von Jacks Studienfreunden hatte einmal gesagt: »Keine Familie funktioniert, nur dass einige noch schlechter funktionieren als andere.« Diese Erfahrung hatte Jack nie gemacht. Seine Kindheit war glücklich gewesen. Er hatte seine Eltern zu Ausgrabungen in Südamerika, Ägypten, Rom und Israel begleitet. An seinem sechzehnten Geburtstag hatte er mit den beiden Menschen, die ihn liebten und faszinierten, bereits die halbe Welt bereist.
    Als Jack noch einmal die Augen schloss, holte die Vergangenheit ihn ein. Er war wieder neunzehn Jahre alt …
6.
    Er würde diesen Tag nie vergessen. Die Erinnerung hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt.
    Seine Eltern und ihr beduinischer Fahrer Basim Malik saßen im Fahrerhaus, während Jack es sich auf der Ladefläche des Pick-ups bequem gemacht hatte. Er plauderte und lachte mit Lela Raul, einem israelischen Mädchen, das er drei Monate zuvor kennen gelernt hatte, nachdem ihr Vater, ein Polizeisergeant, in den nahen Kibbuz versetzt worden war. Das intelligente, freundliche Mädchen mit den schokoladenbraunen Augen, dem sinnlichen Mund und dem langen schwarzen Haar hatte den schlaksigen, schüchternen Neunzehnjährigen sehr beeindruckt.
    Plötzlich geriet der Wagen außer Kontrolle, und Jack erinnerte sich an die Schreie der Insassen und das albtraumhafte Gefühl, als der Pick-up über die Straße rutschte, in die Schlucht stürzte und sich überschlug.
    Sekunden später war eine gewaltige Explosion zu hören, und er wurde zusammen mit Lela von der Ladefläche geschleudert. Bewusstlos lag sie ganz in der Nähe des Pick-ups, der unvermittelt in Flammen aufging. Jack versuchte verzweifelt, sich aufzurappeln, doch sein linkes Bein war gebrochen, und aus einer tiefen Wunde unterhalb des Knies rann Blut. Außer einem schmerzhaften Pfeifen in den Ohren konnte er nichts hören. Von höllischen Schmerzen gequält, kroch er hilflos auf die Flammenwand zu und versuchte, den Pick-up, der sich überschlagen hatte, zu erreichen. Doch es war zu spät.
    Er sah das grauenhafte Bild seiner Mutter, die wie von Sinnen über das Fenster kratzte und deren blondes Haar in Flammen stand. Sein Vater riss verzweifelt an der Tür, während sich imFahrerhaus immer dichterer Rauch ausbreitete. Ehe Jack das Bewusstsein verlor und alles um ihn herum in Dunkelheit versank, hörte er die Todesschreie seiner Eltern.

    Als Jack zu sich kam, fühlte er sich wie zerschlagen. Ein katholischer Priester kniete neben ihm und schlug ihm sanft auf die Wangen. »Kannst du mich hören? Wach auf. Bitte, wach auf!«
    Jack erkannte Pater John Becket, konnte ihn aber kaum hören. Der Pater gehörte zu einer kleinen Gruppe katholischer Geistlicher, die bei den Ausgrabungen mitarbeiteten. Ganz in der Nähe sah Jack Lela, die bewusstlos an einem Felsbrocken lehnte; der Kopf war ihr auf die Brust gesunken. Ein anderer Priester kümmerte sich um sie – ein rothaariger Mann mit markantem Gesicht. Er war klein und drahtig und besaß die Statur eines Jockeys. Jack erinnerte sich, dass er zu den Archäologen der katholischen Delegation gehörte.
    »Die junge Frau hat eine Gehirnerschütterung, aber ihr Zustand ist stabil. Das ist Pater Kubel. Er ist ebenfalls am Unfallort vorbeigefahren. Pater Kubel ist in Erster Hilfe ausgebildet und kann sich um deine Freundin kümmern. Er ist sicher, dass sie sich wieder erholt. Kannst du mich hören?«
    Jack nickte und schaute auf den drahtigen kleinen Priester, der Lela leicht auf die Wangen schlug, um sie aufzuwecken. »Was ist mit meinen Eltern?«, fragte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher