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Der Zweite Messias

Titel: Der Zweite Messias
Autoren: Glenn Meade
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er das Bild in der Hand und strich behutsam über die Gesichter. Wie immer weckte das Foto schmerzhafte Erinnerungen an das Unrecht, das im Namen Gottes geschehen war, an all den Schmerz, der dadurch verursacht wurde. Wie immer würde er Gott um Vergebung und Erlösung von dem Leid bitten.
    Becket streckte seinen geschundenen Körper vor dem Altar aus und betete voller Inbrunst: »Vater unser, der du bist im Himmel, ich bitte dich, Jack Canes Seele Frieden zu schenken. Ich bitte dich, seinen Schmerz zu lindern und ihm einen Blick auf deine ewige und unerschöpfliche Liebe zu gewähren, die unserem Leben erst Sinn gibt.«

140.
    Der Land Cruiser fuhr über den holprigen Wüstenpfad. Am Fuße des Berges hielt Jack an, stellte den Motor ab und zog die Handbremse an.
    Er schaute auf das mit Kies bedeckte Grab, das von einer sauberen Steinkante eingefasst war. Die Hitze der Wüste drang durch die offenen Fenster in den Wagen. Lela, die neben ihm saß, reichte ihm die Wasserflasche und die Blumen von der Rückbank.
    »Mein Vater hat mir einst erzählt, früher hätten die Menschen geglaubt, die Seelen der Toten würden in der Nähe ihrerGräber verweilen«, sagte Jack. »Und er hat gesagt, dass er immer für mich da sein werde, wenn ich das Bedürfnis hätte, mit ihm zu sprechen.« Jack schaute auf die zerklüftete, öde Landschaft. »Deshalb komme ich immer wieder hierher, um in ihrer Nähe zu sein.«
    Lela strich ihm über die Hand. »Darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen? Ich bin auch oft hier gewesen. Ich habe hier gesessen und mich daran erinnert, was zwischen uns gewesen ist.« Sie lächelte. »Jetzt hältst du mich sicher für verrückt.«
    »Nein. Ich würde lieber wissen, ob du heute Abend mit mir essen gehst. In einem guten Restaurant in Jerusalem. Wie sieht’s aus?«
    Lela strich ihm das Haar aus der Stirn, schaute ihm in die Augen und erwiderte: »Nur wenn ich dir noch ein Geheimnis verraten darf.«
    »Es gibt noch eins?«
    »Ich habe lange darauf gewartet, dass du mir eine solche Frage stellst. Vielleicht habe ich mein halbes Leben darauf gewartet und gehofft, dich wiederzusehen. Natürlich kann es nie mehr so sein, wie es gewesen ist. Aber ich freue mich, dass wir uns wiedergetroffen haben.«
    »Was heißt das jetzt? Ja oder nein?«, fragte Jack lächelnd.
    Lela beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn. »Ich glaube, du kennst die Antwort. Geh jetzt zu ihnen. Sprich mit ihnen. Sie warten.«

    Die stille Wüstenluft war trocken, und die Sonne brannte vom Himmel, als Jack sich an das Grab stellte. Kein Rauschen des Windes, kein Falke am Himmel störte die Stille.
    Jack setzte sich auf einen Felsblock, stellte die Blumen in den Steckschwamm und füllte ihn mit Wasser. Dann lehnte er sichzurück und ließ den Blick über die in den Granitstein gemeißelten Worte schweifen, die seinen Schmerz bezeugten. Ich werde euch immer vermissen und lieben.
    Heute hatte er ihnen viel zu erzählen. Doch aus Gewohnheit stellte er wie immer flüsternd dieselben Fragen, die ihn tief im Innern bewegten: Hören die Seelen der Toten die Worte der Lebenden? Treffen wir uns wirklich wieder? Bleibt die Liebe, die wir auf dieser Erde empfunden haben, an einem Ort jenseits des Universums und für alle Ewigkeit bestehen?
    Bis jetzt hatte er noch nie eine Antwort erhalten, doch an diesem Nachmittag geschah etwas Sonderbares, an das er sich bis ans Ende seines Lebens erinnern würde.
    Jack dachte über den ewigen Fortbestand der Liebe nach, als unvermittelt, wie aus dem Nichts, ein heftiger Wind aufkam, der aus der judäischen Wüste heranwehte. Er fegte über den Sand hinweg und trieb Kameldornbüsche vor sich her. Jack schloss die Augen und genoss die angenehme Brise auf seinem Gesicht.
    Doch kaum hatte sie den Sand aufgewirbelt, flaute sie ab und verlor sich in der Weite der Wüste. Es kehrte wieder Stille ein.
    In diesem Augenblick spürte Jack eine Berührung an der Schulter – unerklärlich, aber so real, dass er erschrocken herumfuhr.
    Er riss die Augen auf.
    Aber da war niemand.
    Jacks Herz schlug schneller. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Gleichzeitig spürte er ein seltsames, unerklärliches Gefühl tiefer Ruhe und die Gewissheit, dass er nicht alleine war, sondern dass an diesem verlassenen Ort inmitten der Wüste jemand über ihn wachte. Die Erinnerung an jenen längst vergangenen Tag, als er mit seinem Vater an der Cheops-Pyramide gesessen hatte, erwachte wieder.
    Du kannst uns nicht sehen und nicht berühren, aber
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