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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral
Autoren: Boris von Smercek
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verließ er die Lobby, um zu seinem Zimmer zu gehen.
    Die Hotelanlage bestand aus mehreren zweigeschossigen Villen im Kolonialstil. In jeder Villa befanden sich zehn Luxussuiten. Insgesamt gab es 173 Fünf-Sterne-Zimmer.
    Emmet Walsh betrat seine Unterkunft und hängte das Bitte-nicht-stören-Schild an die Tür. Erst jetzt fiel die Anspannung der letzten Tage vollends von ihm ab, und er spürte, wie müde er tatsächlich war. 48 Stunden fast ohne Schlaf. Er hatte Nachholbedarf.
    Dennoch wollte er zuerst ein Bad nehmen. Während er das Wasser einlaufen ließ, blätterte er in der Zeitung.
    Ein Artikel auf Seite drei erregte seine Aufmerksamkeit. Es ging um die Festnahme von fünf Wilderern, die unter merkwürdigen Umständen in Botswana gefasst worden waren. DerBericht schilderte sämtliche Fakten, verzichtete aber auch nicht auf einen Erklärungsversuch :
... Kobe Kulundu, Wildhüter im Moremi-Wildtierreservat, geht davon aus, dass die Wilderer von rivalisierenden Elfenbeinschmugglern überrascht und überwältigt wurden. Es sei nicht das erste Mal, so Kulundu, dass Schmugglerringe einander in die Quere kämen. Die Polizei von Maun bestätigt diesen vorläufigen Verdacht, zumal sich in den vergangenen Monaten insgesamt neun derartige Fälle zutrugen – nicht nur in Botswana, sondern auch in den Nachbarstaaten Namibia und Simbabwe. Der Schmuggelmarkt in diesen Regionen ist seit Jahren heftig umkämpft.
Laut Polizeisprecher Jamie Ulassi gibt es Hinweise, dass alle neun Fälle auf das Konto ein und desselben Schmugglerrings gehen. Alle Verhafteten nennen als Täter einen großen, ganz in Schwarz gekleideten Mann. Da er vermummt war, konnte bislang niemand diesen Mann beschreiben.
Außerdem wurde an jedem Tatort eine Art Signum hinterlassen, erklärte Ulassi auf der gestrigen Pressekonferenz. Ein Medaillon, in das ein Schwert und eine Rose graviert seien. Die Polizei glaubt, dass die Täter damit ihr Revier abstecken und eine Warnung an andere Wilderer aussprechen. Doch Ulassi bekräftigt: »Wir arbeiten eng mit den Wildhütern des Moremi-Reservats und den Behörden in Namibia und Simbabwe zusammen. Ich bin sicher, wir werden dieser Bande bald das Handwerk legen.«
    Emmet Walsh schmunzelte. Die Fakten stimmten, aber sie waren ungenau und zudem falsch interpretiert worden. In den letzten beiden Monaten waren in Namibia, Simbabwe und Botswana jeweils drei Gruppen von Wilderern verhaftet worden, nämlich jene, die im vergangenen Jahr den größten Umsatz mit illegalem Elfenbein erzielt hatten. Mit anderen Worten: die schlimmsten und skrupellosesten unter den Elefantenjägern.
    Die Annahme, dass ein eigener Schmugglerring dahinter stecke, war jedoch falsch. Er selbst, Emmet Garner Walsh, hatte die Wilderer aufgespürt und unschädlich gemacht. Viele Wochen hatte er dafür recherchiert. Dann hatte er ein Ultraleichtflugzeug gechartert – im Touristenort Livingstone kein Problem – und die Fährte aufgenommen. Seine Ausrüstung befand sich in seinem Koffer: Ein zerlegbares Scharfschützengewehr, das vom Zoll nicht als solches erkannt werden konnte, Munition, ein Nachtsichtgerät und natürlich der GPS-Empfanger, mit dem er die Wege der Wilderer nachvollziehen konnte, denn er hatte deren Transportlaster zuvor heimlich mit Peilsendern ausgestattet. Auf diese Weise konnte er jederzeit auf wenige Meter genau seine Ziele lokalisieren. Der Segen der modernen Technik.
    In fünf Fällen hatte er nach getaner Arbeit sogar die Polizei informiert, da die Gefesselten nach einem Tag noch nicht gefunden worden waren.
    So viel Menschlichkeit haben diese geldgierigen Idioten gar nicht verdient, dachte er. Aber es war nicht seine Aufgabe, darüber zu richten.
    Er legte die Zeitung beiseite und ging ins Bad. Das Wasser war wohltuend warm und entspannte ihn. Während er den süßen Duft von Jasmin-Lotion einatmete und sich den Staub der letzten Nächte vom Körper wusch, fragte er sich, wie es nun weitergehen solle.
    Bereits für morgen Vormittag hatte er einen Flug von Livingstone Airport nach Johannesburg gebucht. Nach einem kurzen Zwischenstopp würde es von dort aus weiter nach London gehen. Danach war es nur noch ein Katzensprung bis nach Hause ins geliebte Schottland.
    Emmet Walsh schloss die Augen und versuchte, sich die Türme und Zinnen von Leighley Castle vorzustellen. Seit sein Herz ihm zu schaffen machte, spürte er mehr und mehr die enge Verbundenheit mit seiner Heimat. Drei ganze Monatelang hatte er Leighley Castle nicht mehr
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