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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch
Autoren: Emile Zola
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Gesichter von Loubet und Lapoulle, Chouteau und Pache allmählich unterscheiden konnte, die immer noch mit offenem Munde schnarchten. Voller Trauer, in rußige Nebel gehüllt, die sich aus dem entfernten Flusse da hinten erhoben, brach der Tag an.
     

2.
    Gegen acht Uhr zerstreute die Sonne die schweren Schwaden, und ein heißer, klarer Augustsonntag erglänzte über Mülhausen inmitten seiner weiten, fruchtbaren Ebene. Von dem jetzt erwachten, von summendem Leben erfüllten Lager aus hörte man bei der durchsichtigen Luft lauten Glockenklang in allen Kirchendörfern. Trotz seines furchtbaren Unglücks hatte auch dieser schöne Sonntag seine Heiterkeit, seinen strahlenden Festtagshimmel.
    Gaude blies heftig zum Frühstück, und Loubet fragte voll Verwunderung, was es wohl geben würde? das Huhn, daser abends zuvor Lapoulle versprochen hatte? In den Hallen Rue Cossonerie als Zufallskind einer Kleinkramhändlerin geboren, war er, nachdem er alles mögliche versucht hatte, »auf Sous« angestellt, wie er sagte; jetzt spielte er den Koch und schnüffelte unaufhörlich hinter Leckereien her. So ging er los, während Chouteau, der Künstler, der Anstreicher von Montmartre, ein schöner Kerl, Umsturzmann, der wütend war, daß er nach seiner Dienstzeit noch wieder eingezogen wurde, wild über Pache herzog, den er eben hinter dem Zelt betend auf den Knien gefunden hatte. Also ein Pfaffe! konnte der nicht seinen lieben Gott um hunderttausend Francs Rente für ihn bitten? Aber Pache, der aus einem weltfernen Dörfchen der Picardie kam, schmächtig, mit spitzem Kopf, ließ sich mit der stummen Milde eines Märtyrers veralbern. Er war der Prügelknabe der Korporalschaft zusammen mit Lapoulle, dem Koloß, dem Untier, das aus den Sümpfen der Sologne emporgeschossen war, so dumm, daß er am Tage seiner Ankunft beim Regiment erst mal den König sehen wollte. Und obwohl die Unglücksnachricht von Fröschweiler seit dem Wecken umlief, lachten die vier Leute und verrichteten ihre gewohnten Beschäftigungen gedankenlos und gleichgültig.
    Da entstand ein Gemurmel infolge einer scherzhaften Überraschung. Jean, der Korporal, kam mit Maurice von der Brennholzverteilung zurück. Endlich wurde also das Holz verteilt, auf das die Leute am Abend vorher vergeblich gewartet hatten, um ihre Suppe zu kochen. Zwölf Stunden Verspätung nur.
    »Hoch die Intendantur!« schrie Chouteau.
    »Ach was! jetzt ist es da!« meinte Loubet. »Ach! jetzt werde ich euch mal einen pikfeinen Topf Suppe kochen.«Wie gewöhnlich übernahm er gern die Kocherei, und sie waren ihm dankbar dafür, denn er kochte hinreißend schön. Zunächst aber überhäufte er Lapoulle mit merkwürdigen Aufträgen.
    »Hol' Champagner und Trüffeln ...«
    Seit heute morgen lief ihm ein ganz verrückter Gedanke durch den Kopf, so richtig der Gedanke eines Pariser Straßenbengels, der sich über einen Einfaltspinsel lustig machen will.
    »Fix ein bißchen! gib mir mal das Huhn.«
    »Das Huhn? woher denn?«
    »Na da, auf der Erde ... Das Huhn, das ich dir versprochen habe, das der Korporal eben mitgebracht hat.«
    Er zeigte auf einen großen weißen Stein vor ihren Füßen. »Donnerwetter! willst du das Huhn wohl erst mal waschen! ... noch mal! die Pfoten und den Hals! ... mit mehr Wasser, Faulpelz!«
    Und rein aus Ulk warf er, weil ihm der Gedanke an die Suppe allerhand Scherze in den Kopf setzte, den Stein mit dem Fleisch zusammen in den Topf voll Wasser.
    »Das soll der Suppe mal Geschmack geben! das wußtest du nicht mal? du weißt auch gar nichts, du dämlicher Waschlappen! ... Du sollst den Stert haben, sollst mal sehen wie zart der ist!«
    Die Korporalschaft krümmte sich über Lapoulles Gesicht, der sich jetzt voller Überzeugung die Lippen leckte. Wenn der Loubet, dies Viech, dabei war, konnte man sich unmöglich langweilen! Und als dann das Feuer im Sonnenschein knisterte und der Kessel zu singen anfing, da standen sie alle voller Andacht herum und blühten förmlich wieder auf, als sie das Fleisch tanzen sahen und den köstlichen Geruch einatmeten,der sich allmählich verbreitete. Sie hatten von gestern abend her einen Bärenhunger, und der Gedanke ans Essen riß sie ganz hin. Verhauen waren sie ja, aber das sollte sie doch nicht daran hindern, sich mal wieder ordentlich aufzufüllen. Vom einen Ende des Lagers bis zum andern flammten die Kochfeuer, in den Kesseln wallte es, und eine fröhliche Gefräßigkeit machte sich inmitten der klaren, fortwährend von allen Kirchen
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