Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml
Autoren: Vladimir Sorokin
Vom Netzwerk:
schüttelte
     ihn.
    »Ich bin dein Freund!!«, entfuhr es Komjaga so heftig,
     dass Kubassow innehielt.
    Komjaga stieß die Hände von sich. Der Opritschnik war
     leichenblass geworden, nur die linke Gesichtshälfte glühte rot wie Feuer.
    »Dein Freund bin ich! Andrej!«
    Kubassow funkelte Komjaga aus zornigen Äuglein an.
    »Was willst du hier?«, wisperte er.
    »Der Alte ist verhaftet.«
    Kubassow musterte ihn. Sein aufgedunsenes Gesicht wurde
     konzentriert, die Äuglein schmal. Er leckte sich über die feuchten Lippen. Dann
     packte er Komjaga jäh beim Arm, drehte sich um und zerrte ihn hinter sich her.
    »Mitkommen!«
    Komjaga stolperte hinterdrein.
    »Verhaftet stimmt nicht ganz«, raunte er. »Festgesetztzur Klärung eines Sachverhalts, für vierundzwanzig Stunden.
     Potyka ist zum Anführer der Opritschnina ernannt. Der Gossudar scheint sie dem
     jüngeren Flügel in die Hände zu legen, das ist gut so …«
    »Komm, komm!«, zerrte Kubassow ihn weiter.
    Sie verließen das Schwimmbad. Kubassow zog Komjaga zu den
     Fahrstühlen.
    »Unser Gossudar kann das selbstverständlich am besten
     einschätzen«, fuhr Komjaga mit einem Seitenblick auf die Wächter mit den
     Maschinenpistolen zu räsonieren fort.
    Kubassow trat, Komjaga mit sich zerrend, in den
     verspiegelten Fahrstuhl, drückte auf den Knopf mit der 3. Der Fahrstuhl setzte sich
     aufwärts in Bewegung. Komjaga sah auf sein Spiegelbild.
    »Potyka, der hat früher zum linken Flügel gehört, aber
     jetzt hat es ihn …«
    »Ein wahrer Schwitzkasten!« Kubassow lachte dröhnend, mit
     dem Finger auf sein Spiegelbild zeigend. »Und wo Schweiß ist, da ist auch Blut. Blut
     und Tränen. Nicht?«
    Komjaga blickte finster in den Spiegel, Kubassow in die
     Augen.
    Der Fahrstuhl hielt. Kubassow eilte hinaus, Komjagas
     Handgelenk im Klammergriff.
    »Hier lang. In den ewigen Unterschlupf …«
    Vor dem Fahrstuhl standen vier Wächter in Schwarz mit
     Maschinenpistolen. Weiter hinten befand sich das große persönliche Kabinett des
     Bojaren. Die drei Fenster mit außenverspiegeltem Panzerglas, in jedes eine
     Schnellfeuerkanone montiert. Zwei waren mit Schützen besetzt. Vor der mittleren,
     unbesetzten stand ein schwerer Ledersessel.
    »Hierher!« Kubassow dirigierte Komjaga zum Tisch.
    Auf dem Tisch lag ein großer Spiegel, und auf diesem waren
     fein säuberlich, in engem Abstand, mehrere DutzendKokainlinien
     gezogen. Eine beschlagene Karaffe mit Wodka stand daneben.
    Ach ja, dachte Komjaga bekümmert. Alles wie gehabt.
    Und laut sagte er: »Kirill, was ich dich fragen wollte …«
    »Mach schon!«, fiel ihm Kubassow ins Wort, stieß ihn vor
     den Tisch. Nahm selbst ein goldenes Röhrchen zur Hand, beugte sich über den Spiegel
     und zog sich geschickt je eine Linie in die Nasenlöcher.
    Sogleich trat einer der Wächter heran und füllte ein
     Gläschen mit Wodka. Kubassow schniefte kurz, kippte das Gläschen im Gehen, atmete
     keuchend aus und zog sogleich die dritte Linie, dann schmiss er das Röhrchen auf den
     Spiegel, und sein dicker Zeigefinger wies Komjaga herrisch zur Tat. Mit einem
     unlustigen Seufzer ergriff Komjaga das Röhrchen, sog bedächtig erst die eine, dann
     die zweite Linie ein, richtete sich auf. Der Leibwächter brachte den Wodka. Komjaga
     trank und atmete erleichtert aus. Doch Kubassows dicker Zeigefinger klopfte fordernd
     auf den Spiegel.
    »Ein Schemel steht auf drei Beinen! Drei!«
    Gezwungenermaßen beugte Komjaga sich noch einmal hinab und
     verleibte sich einen dritten Streifen ein. Kubassow lachte laut und herzlich,
     tätschelte ihm den Rücken und rief, den erhobenen Zeigefinger schüttelnd:
    »Und das alles nur, weil kein Erdgas mehr da ist. Die
     verdammten Schlitzaugen haben es restlos abgezapft!«
    Komjaga hatte sich wieder aufgerichtet. Er zückte sein
     Taschentuch, putzte sich die Nase. Kubassow packte ihn an der Brokatjacke.
    »Das Fass braucht einen neuen Reifen! Andere Saiten müssen
     aufgezogen werden im Lande! Darum geht’s ihm, nicht war? Das verstehst du doch?«
    Komjagas Brauen schnellten in die Höhe.
    »Natürlich verstehe ich das, Kirill Iwanowitsch, wiekönnte ich nicht? Unser Gossudar hat Großes im Sinn, und das ist
     gut so …«
    »Unser Gossudar ist eine stinkende Kanalratte«, versetzte
     Kubassow mit säuerlichem Grinsen, und sein aufgedunsenes Gesicht kam dem von Komjaga
     ganz nahe. »Sollten wir ihn nicht auf die Schädelstätte zerren und vierteilen? Oder,
     sagen wir, sechsteilen? Oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher