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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes
Autoren: Paul Harding
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Vorhängeschlössern
     gesichert. Niemand konnte hinein, um ihm etwas anzutun.«
    Sir John hatte gegrunzt und
     ihn verabschiedet. Nun saß er seit zwei Stunden in diesem Gemach und
     fragte sich, wie der Mord begangen sein mochte.
    »Ich wünschte,
     Athelstan wäre hier«, seufzte er. »Vielleicht würde
     er wissen, was hier nicht stimmt. Der verdammte Mönch! Und ich wünschte,
     er würde den verflixten Kater mitbringen!«
    Cranston dachte an Athelstans
     wild aussehenden Kater Bonaventura, den sein Freund und Sekretär für
     den besten Rattenfänger von ganz Southwark hielt. Cranston seufzte,
     bekreuzigte sich, senkte den Blick und sprach ein Gebet für den
     Toten.
    »Gewähre meinem
     Freund Oliver die ewige Ruhe«, murmelte er, und seine Gedanken
     wanderten um Jahre zurück… Groß und stark stand Oliver
     an seiner Seite, als die französischen Ritter die Reihen der Engländer
     bei Poitiers durchbrachen. Das Schlachtgetöse, das Wiehern der
     Streitrösser, das Klirren der Schwerter, das leise Schwirren der
     Pfeile, das Stechen und Hacken, als sie und ein paar andere die ganze
     Wucht eines letzten Verzweiflungsangriffs der Franzosen auffingen. Der
     Boden unter ihren Füßen war glitschig vom Blute. Cranston stand
     breitbeinig da und ließ sein Schwert kreisen wie eine mächtige
     Sense, als die französischen Ritter zum letzten Schlag herandrängten.
    Ein ungeheurer Riese stürmte
     auf ihn zu; sein Helm hatte die Form eines Teufelskopfes mit breit
     geschwungenen Hörnern, und die gelbe Feder wogte im Abendwind.
     Cranston sah stahlumhüllte Arme mit einer gewaltigen Streitaxt
     ausholen; er sprang beiseite, glitt aus und fiel in den Schlamm. Er
     erwartete den tödlichen Hieb, aber da stand Oliver über ihm,
     fing die Wucht der Axt mit seinem Schild auf, griff dann den Feind an und
     stieß ihm seinen kleinen Hirschfanger zwischen Küraß und
     Helm.
    »Ich schulde dir mein
     Leben«, hatte Cranston später bekannt.
    »Eines Tages wirst du
     die Schuld zurückzahlen können!« Oliver hatte gelacht, als
     sie auf dem Schlachtfeld saßen und einander mit zahllosen Bechern
     von dem Rotwein zuprosteten, den sie aus dem französischen Lager
     geraubt hatten. »Eines Tages wirst du diese Schuld zurückzahlen.«
    Cranston öffnete die tränennassen
     Augen. Er hob seine rechte Hand und schaute den Toten an. »Verflucht,
     das werde ich!« knurrte er. Und noch einmal betrachtete er die
     erbarmungswürdige Gestalt in dem Leichentuch.
    »In unseren goldenen
     Tagen«, flüsterte er, »da waren wir Greyhounds auf der
     Jagd! Junge Falken, die auf ihre Beute niederstießen! Ah, was für
     Zeiten!«
    Cranston klopfte sich auf den
     umfangreichen Wanst, zog die Bettvorhänge zu und stapfte aus der
     Kammer; im Gehen warf er noch einmal einen Blick auf das aufgebrochene
     Schloß.
    Wie ein Koloß stampfte
     er die Treppe hinunter und marschierte in den Söller, wo Lady
     Rosamund und ihr »Vetter« Albric auf der Fensterbank saßen
     und das Maschenspiel spielten. In ihrem schwarzen Damastkleid mit dem
     sorgfältig geordneten Schleier von gleicher Farbe sah Rosamund jetzt
     noch schöner aus; ihr schmales Gesicht war zu einer Art Trauermiene
     verzogen. Cranston funkelte sie nur an, und noch verächtlicher
     betrachtete er ihren jungen Liebhaber mit seinem glatten Gesicht, den
     schlaffen Lippen und dem kraftlosen Blick.
    »Ihr seid fertig, Sir
     John?« Rosamund erhob sich, als der glatzköpfige, rotgesichtige
     Riese auf sie zukam. Sie erwartete, daß er zumindest ihre Hand küssen
     würde, aber Cranston packte sie und Albric bei den Handgelenken, zog
     beide von der Bank und mit harter Hand dicht zu sich heran. 
    »Ihr, Madam, seid ein
     mordendes Miststück! Nein, Ihr braucht nicht die Augen aufzureißen
     und um Hilfe zu schreien! Und Ihr, Sir…« Albric wich seinem
     Blick aus. »Sieh mich an, Kerl!« Cranston drückte noch
     fester zu. »Sieh mich an, du mieser Hurensohn!«
    Albric hob den Blick.
    »Du hast mitgemacht.
     Wenn du den Mut dazu hättest, würde ich dich zu einem Duell
     herausfordern und dir den Kopf abschlagen. Vergiß nicht, das Angebot
     wird bestehenbleiben.«
    »Sir John, das ist doch
     …«
    »Klappe!« grollte
     Cranston. »Da oben liegt der treueste Kamerad, den ein Mann sich nur
     wünschen kann. Ein guter Soldat, ein
     schlauer Kaufmann und der allerbeste Freund. Oliver mag ein schwaches Herz
     gehabt haben, aber er hatte den Mut eines Löwen und den Großmut
     eines
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