Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher
Autoren: Stefan Gemmel
Vom Netzwerk:
Bilder, die er ihm zeigen konnte – all
das hatte seine Wirkung nicht verfehlt.
Er hatte es spüren
können. Vorhin, als er ihm gegenüberstand.
Er hatte Simons Angst
gefühlt. Aber auch seinen Wissens-durst und vor allem seinen
Respekt. Den Respekt vor ihm, dem Magier. Alles ging seinen Weg. Alles
verlief nach Plan.
Nur noch kurze Zeit, und er würde den Jungen
einweihen. Er würde ihm die Antworten auf all seine Fragen geben, und
dann wären sie dem Ziel so nahe wie nie zuvor.
Der Junge als sein
Schüler.
Als sein Partner.
Im großen Plan.
Auf dem Weg zu dem großen
Ziel.

Simon blickte sich in der Runde um. Hier am Feuer, das Moon in einer riesigen Silberschale angefacht hatte, kam es ihm vor, als hätte es das vergangene Jahr gar nicht gegeben. Ihm war, als hätte er nicht eine Sekunde das Schiff verlassen. Noch immer wirkte alles so vertraut auf Simon. Er fühlte sich wohl – hier, inmitten seiner Freunde.
    Wieder schloss er die Augen und genoss für einen Moment die Klänge der Nacht und die Geräusche des alten Seelensammlers. Was taten wohl die Krähen in ihren Körben an den Mastspitzen? Schliefen sie? Lauschten sie?
    Simon öffnete die Augen. Einzig Caspar, der ihm gegenübersaß, war fremd für ihn. Und Simon wusste ihn nicht so recht einzuschätzen. Der Junge aus dem Mittelalter war so ganz anders als die übrigen Zeitenkrieger. Zumindest kam es Simon so vor. Aber sie hatten auch einen schlechten Start gehabt. Eine Klinge am Hals und ein Knie im Rücken waren keine gute Ausgangsbasis, um einander kennenzulernen.
    „Wann bist du hierhergekommen?“, fragte Simon ihn daher. Vielleicht konnten sie beide einfach von vorn beginnen. Mit seiner Geschichte statt mit seinen Waffen.
    „Was weiß denn ich?“, begann Caspar ruppig. „Dieser Seelensammler hat ja seine eigenen Regeln und Gesetze. Das habe ich schon verstanden. Anscheinend können wir auch nur deshalb miteinander reden, obwohl wir aus völlig verschiedenen Ländern stammen und auch aus völlig verschiedenen Epochen. Und Zeit hat hier, wie’s scheint, auch keine echte Bedeutung. Dennoch würde ich sagen, dass es erst ein paar Tage her sein kann, dass ich dem Schattengreifer begegnet bin.“
    „Ein paar Tage nur.“ Simon nickte. Caspar war somit selbst noch ein Fremder auf dem Schiff. Das erklärte einiges.
    „Wir alle hatten noch keine rechte Gelegenheit, uns vorzustellen“, wandte sich Salomon jetzt mit entschuldigendem Gesichtsausdruck an Caspar. „Wir Zeitenkrieger waren zwar dabei, als dich der Schattengreifer zu einem von uns machte, doch wir wissen nichts über dich. Wir haben lediglich die Küste gesehen, an der er dich gesucht hat. Und die Schiffe. Die Zelte, die Männer mit ihren Schwertern. Und vor allem diese vielen, vielen verzweifelten Mädchen und Jungen. Doch was das alles zu bedeuten hatte, das wissen wir nicht.“
    Die Zeitenkrieger sahen nun voller Interesse auf Caspar, seine Geschichte erwartend. Nur Simon ließ seinen Blick noch einmal über seine vier Freunde schweifen. Sie alle waren von dem Schattengreifer aus allerhöchster Gefahr errettet worden. Neferti zum Beispiel, die Ägypterin – „die Katze“, die unter dem besonderen Schutz einer ägyptischen Katzengöttin stand und die behauptete, wie eine Katze sieben Leben zu besitzen. Sie hatte der Schattengreifer retten können, als die Gegner des Pharaos, in dessen Palast sie lebte, einen blutigen Aufstand ausführten.
    Und Salomon, der direkt neben ihr saß, hatte der Schattengreifer aus der Pestzeit hierher gebracht. Der Schattengreifer hatte den Jungen ebenso vor dem sicheren Tod bewahrt wie Moon, den Indianerjungen, der von dem Magier während eines Massakers gerettet wurde. Nur Nin-Sis Geschichte kannte niemand auf diesem Schiff. Ihre Erziehung verbot es ihr, darüber zu sprechen.
    Alle Zeitenkrieger wurden aus Katastrophen heraus gerettet, gleichzeitig jedoch auch ihrer Schatten beraubt, und seitdem waren sie an den Schattengreifer und das Schiff gebunden. Deshalb war Simon auch sicher, dass Caspar ebenfalls aus höchsterNot heraus auf dieses Schiff gefunden hatte. Salomons Worte schienen das zu bestätigen, und so sah nun auch Simon erwartungsvoll zu dem Jungen aus dem Mittelalter hinüber.
    Caspar ließ sich jedoch Zeit mit der Antwort. Er blickte zu Boden und schluckte hart. Im Licht des Feuers konnte Simon es nicht klar erkennen, doch er glaubte zu sehen, wie sich das Gesicht des Jungen verzog. Caspar kniff die Augen zusammen, gerade so, als wehre er sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher