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Der zehnte Planet

Der zehnte Planet

Titel: Der zehnte Planet
Autoren: Sergej Beljajew
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hoffe, daß Sie mit der Bemerkung nicht den ‚Fresser‘ meinen«, schmunzelte der Gelehrte, das zweite appetitliche Butterbrot mit schwarzem Kaviar bereits mit den Augen verzehrend.
    »Ich meine den Lichtstrahl . . . richtiger: Teilchen des Lichtstrahls, die Ihnen bekannten Photonen«, sagte Jura. »Mein Planetoplan verschlingt die Entfernungen mit einer Geschwindigkeit von zweihundertachtundneunzigtausend Kilometern in der Sekunde . . .«
    Für einen Augenblick hörte der Gelehrte auf zu kauen und murmelte:
    »Interessant, aber unglaubwürdig.«
    »Unglaubwürdig, aber eine Tatsache. Freilich ist diese Geschwindigkeit etwas kleiner als die allgemein bekannte. Aber berücksichtigen Sie, daß die allgemein bekannte Lichtgeschwindigkeit nur eine Geschwindigkeit ist, die auf Grund der nicht zahlreichen Beobachtungen und Versuche als Durchschnitt berechnet worden ist. Ich bin überzeugt, daß die Lichtgeschwindigkeit wahrhaftig verschieden sein kann. Freilich übersteigt der Unterschied nicht ein- oder zweitausend Kilometer in der Sekunde, aber er existiert und ist nicht nur von dem Milieu,durch welches das Licht geht, sondern auch von der Lichtquelle abhängig. Wollen Sie, daß ich Ihnen beweise, daß sich das Licht vom Sirius mit einer andern Geschwindigkeit ausbreitet als das Licht von einem angezündeten Streichholz?«
    Der Gelehrte verschluckte sich und steckte in seiner Verwirrung den Rest des Butterbrotes in die Westentasche.
    Jura blickte auf die Zifferblätter der Zähler und sagte besorgt:
    »Gezählte Minuten bleiben uns; ich werde mich deshalb kurz fassen. Über ein halbes Jahrhundert schon hat die Wissenschaft von den kolossalen Vorräten der Innen-Atomenergie geredet. Lange habe ich nach den passenden Elektronen gesucht und sie endlich gefunden. Denken Sie an die Mendelejewsche Tabelle. Drei Stellen in ihr, und zwar die Nummern einundsechzig, fünfundachtzig und siebenundachtzig, bleiben unbesetzt.«
    »Haben Sie ein neues Element entdeckt?« fragte der Gelehrte.
    »Ja. Ich habe es ‚Radium-zwei‘ genannt. Es nimmt die Nummer fünfundachtzig in der Mendelejewschen Tabelle ein und ist stärker radioaktiv als Radium. Seine Elektronen verwandeln sich in einer Kammer aus einer besondern plastischenMasse in Photonen, und ihre Energie reicht, wie Sie sehen, völlig aus . . .«
    Jura betrachtete aufmerksam den Stand der Zähler. »Es bleiben noch drei Minuten . . . Für meinen Planetoplan habe ich den Weg um die Sonne gewählt, auf einer Bahn, die direkt senkrecht zu der Ebene der Erdbahn liegt. Nachdem wir einen Halbkreis beschrieben haben, müssen wir auf dem Zehnten landen. Die Berechnung der Flugbahn meines Planetoplans ist einfach. Wir nehmen als Radius die Entfernung des Sonnenzentrums von der Erde und berechnen nach der Formel
2πr
geteilt durch zwei. Wir dividieren durch die Geschwindigkeit unseres Fluges und bekommen die Entfernung von eintausendsechshundertachtzig Lichtsekunden. Das ergibt eine Flugdauer von genau achtundzwanzig Minuten. Wir haben uns jetzt genau fünfundzwanzig Minuten unterhalten.«
    Er wurde von dem Gelehrten unterbrochen. In einem plötzlichen Wutausbruch sprang er von seinem Sitz auf und rief aus:
    »Und wenn es überhaupt keinen Zehnten gibt!?«
    »Dann werden wir«, sagte Jura gewichtig, »auf dem andern Halbkreis der Bahn um die Sonne fliegen und wieder zur Erde zurückkehren. Photonen für den Rückflug habe ich . . .«
    Über die Schulter zeigte er dem Gelehrten zwei schwarze glänzende Schachteln, den flachen Puderdosen aus Papiermaché ähnlich.
    »Und wenn Sie, Luftchauffeur . . .«, der Gelehrte erstickte beinahe vor Aufregung, »wenn Sie auf dem Rückflug die Erde verfehlen würden?«
    Jura hatte sich gar nicht umgedreht. Er war mit den Geräten und Hebeln beschäftigt. Er zuckte nur mit den Achseln:
    »Dann ist eben nichts zu machen . . ., aber regen Sie sich nicht auf, Michail Sergejewitsch«, seine Stimme hatte viel Wärme, »wir werden dann einfach um die Erde kreisen, bis uns die Unseren heraushelfen; unsere Höhenflugzeuge können überall hingelangen. Nehmen Sie einen Schluck aus der Thermosflasche . . . aber nicht aus der im Koffer, sondern links aus der Tasche am Fenster. Ein reiner Laborsprit mit Wasser. Er stärkt . . .«
    Die Kaltblütigkeit Juras hatte aufgehört, den Gelehrten toll zu machen. Er hatte sich mit dem Unvermeidlichen des ihm vorgeschriebenen Schicksals abgefunden. Ein Schluck aus der Laborthermos erwies sich als sehr gelegen.
    ‚Wie gut!‘
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