Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen
Autoren: Alan Garner
Vom Netzwerk:
der über dem Hof kreiste.
    «He! Na, seht euch diese Rabenkrähe an! Möcht wissen, wohinter die her ist. Wenn die sich nicht bald verzieht, werd ich mein Gewehr holen müssen. So was woll’n wir hier nicht haben, sind die reinste Plage in der Lämmerzeit.»
    Am frühen Abend schlug Colin, den die Sage von dem Zauberer sehr beeindruckt hatte, noch einen Gang über den Edge vor; diesmal, um das eiserne Tor zu finden.
    «Nun ja, ich wünsch euch viel Glück! Ihr seid nicht die Ersten, die ‘s versuchen, und ich schätze, auch nicht die Letzten.»
    «Nehmt eure Mäntel mit», sagte Bess. «Um die Tageszeit wird’s da oben ganz schön kalt.»
    Colin und Susan durchstreiften den ganzen Stormy Point und die Gegend dahinter, aber es gab dort so viele Felsen und Geröllbrocken, von denen jeder das Tor hätte verbergen können, dass sie es bald müde wurden, «Abrakadabra!» und
    «Sesam, öffne dich!» zu rufen. Sie legten sich lieber zum Ausruhen auf eine Wiese, genau unter dem Kamm eines Ausläufers des Edge, und sahen der Sonne zu, wie sie sich in der Ebene dem Horizont näherte.
    «Ich glaube, wir sollten jetzt gehen, Colin», sagte Susan, als die Sonne schon fast verschwunden war. «Wenn wir die Straße nicht erreichen, ehe es dunkel ist, könnten wir uns leicht verirren.»
    «Ist gut. Aber lass uns auf der anderen Seite dieses Hangs zum Stormy Point zurückgehen, nur zur Abwechslung. Da oben sind wir noch nicht gewesen.»
    Er wandte sich um, und Susan folgte ihm über den Grat des Hügels in den Wald hinein.
    Nachdem sie den Hang hinter sich hatten, fanden sie sich in einem kleinen Tal voller Farn und Geröll, umgeben von vorspringenden Felsen, in denen sich Sprünge und Risse und kleine Höhlen befanden. Vor ihnen wölbte sich ein hoher Buchenwald jäh ins Halbdunkel. Die Luft war ruhig und schwer, wie vor einem Gewitter; einziges Geräusch war das intensive Summen von Stechmücken; und überall der dumpfsüße Geruch von Farn und Fliegen.
    «Mir… mir gefällt’s hier nicht, Colin», sagte Susan. «Es kommt mir vor, als würden wir beobachtet.»
    Colin lachte sie nicht aus, wie er es normalerweise getan hätte. Auch er hatte so ein prickelndes Gefühl zwischen den Schulterblättern; und er hätte sich leicht vorstellen können, dass sich in den tiefen Schatten der Felsen verstohlen etwas bewegte; etwas, dem es stets gelang, sich der Sicht zu entziehen. Und so machte er mit Vergnügen kehrt, um zum Pfad zurückzuklettern.
    Sie hatten sich kaum einen Meter die Talmulde hoch bewegt, als Colin stehen blieb und lachte.
    «Schau! Uns beobachtet wirklich jemand!»

    Auf einem großen Felsblock vor ihnen thronte ein Vogel. Er reckte seinen Kopf nach vorne und starrte die beiden Kinder unverwandt an.
    «Das ist die Rabenkrähe, die wir nach dem Tee über dem Hof gesehen haben!», rief Susan.
    «Sei doch nicht dumm! Wie kannst du sagen, dass es dieselbe ist? Wahrscheinlich gibt’s hier Dutzende davon.»
    Gleichwohl behagte Colin es gar nicht, wie dieser Vogel da so bucklig und gespannt, fast gierig hockte, denn sie mussten an ihm vorbei, wenn sie wieder auf den Pfad gelangen wollten.
    Er trat einen Schritt vor, schwenkte seine Arme durch die Luft und rief «Husch!» mit einer Stimme, die erbärmlich dünn und nicht gerade Furcht einflößend klang.
    Die Krähe regte keine einzige Feder. Colin und Susan bewegten sich langsam vorwärts; eigentlich wollten sie laufen, aber irgendwie hemmte sie der böse Blick der Krähe. Als sie in der Mitte des Tals angelangt waren, stieß der Vogel einen lauten, scharfen Krächzer aus. Sogleich antwortete ein schriller Schrei von den Felsen her, und aus den Schatten zu beiden Seiten der Kinder erhoben sich eine Menge merkwürdiger Gestalten.
    Sie waren knapp einen Meter groß und hatten Menschengestalt, mit dünnen, sehnigen Körpern und Gliedern und breiten, flachen Füßen und Händen. Sie hatten große Köpfe mit spitzen Ohren, tellerrunden Augen und aufstehenden Mündern, die nadelspitze Zähne sehen ließen.
    Einige hatten Stupsnasen, andere lange, dünne Rüssel, die ihnen bis ans Kinn reichten. Die Hautfarbe der meisten entsprach dem Weiß von Fischfleisch, manche waren aber auch schwarz, und alle waren so gut wie haarlos. Einige hielten Schlingen dünner schwarzer Seile in der Hand, während sich aus einer der Höhlen eine Gruppe näherte, die ein wie ein Spinngewebe geflochtenes Netz trug.

    Eine Sekunde lang standen die Kinder wie angewurzelt, aber nur eine Sekunde lang. Dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher