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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen
Autoren: Alan Garner
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Minenlöcher!», rief Gowther ihnen nach, als sie aus dem Tor gingen.
    Sie fanden es merkwürdig, an dieser einsamen Straße auf einen Gasthof zu stoßen. Sein weißes Gemäuer mit dem Steindach ruhte seit Jahrhunderten in diesem Wald – völlig verlassen, kein anderes Haus in der Nähe: ein Dorfgasthof ohne Dorf.
    Colin und Susan hatten ihn entdeckt, nachdem sie in der größten Tageshitze zwei Kilometer über Staub und klebrigen Teer gewandert waren. Er hieß «Zum Zauberer», und über dem Eingang war ein gemaltes Schild befestigt, das die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich zog.
    Das Bild zeigte einen Mann in einer Art Mönchskutte mit langem weißem Haar und Bart, dahinter kämpfte eine Gestalt in altmodischer Bauerntracht mit den Zügeln eines Schimmels, der sich auf seinen Hinterbeinen bäumte. Den Hintergrund bildeten hohe Bäume.
    «Ich frage mich, was das zu bedeuten hat», sagte Susan.
    «Denk dran, dass wir Gowther danach fragen – der wird es wissen.»
    Sie bogen von der in der Hitze flimmernden Straße in den grünen Wald ab, und bald lag der Gasthof «Zum Zauberer»
    weit hinter ihnen. Sie gingen zwischen Tannen und Kiefern, Eichen, Eschen und Birken, auf Pfaden durch dichten Farn und über glatte grasbewachsene Hügel. Friede und Schönheit der Natur schienen hier kein Ende nehmen zu wollen. Und dann stießen sie ganz plötzlich auf eine kahle Fläche voller Felsen und Sand, über der wie über einem Hochofen die Hitze flirrte.
    Im Norden dehnte sich die ungeheure Weite der Ebene von Cheshire vor ihnen wie eine grüngelbe Flickendecke mit darüber gestreuten Spielzeughöfen und Häusern aus. Der Edge fiel hier etwa hundert Meter tief steil ab, während zu ihrer Rechten das Land in der Ferne wieder anstieg, bis es auf das Massiv des Penninischen Gebirges traf, das in zwölf Kilometer Entfernung durch den Dunst schimmerte.
    Gefesselt von der prächtigen Aussicht blieben die Kinder einige Minuten lang stehen, bis Susans Blick auf etwas anderes fiel. «Sieh mal da! Das muss eine der Minen sein.»
    Beinah zu ihren Füßen führte ein schmaler Graben in den Fels.
    «Komm», sagte Colin, «lass uns da einen Blick hineinwerfen, ist doch nichts dabei – nur so weit, wie das Licht reicht.»
    Vorsichtig stiegen sie in den Graben und waren ziemlich enttäuscht, als sie herausfanden, dass er in einer kleinen Höhle endete, die ungefähr die Form eines Diskus besaß und voller kalter, klammer Luft war. Tunnel oder Schächte waren keine da, das einzig Bemerkenswerte war ein rundes Loch in der Decke, etwa einen Meter über ihnen, das mit einem länglichen Stein abgedeckt war.
    «Och», sagte Colin, «hier drin ist jedenfalls nichts Gefährliches.»
    Den ganzen Nachmittag noch durchstreiften Colin und Susan die bewaldeten Hänge und Täler des Edge; manchmal kamen sie an Stellen, wo nur hohe Buchen wuchsen, und dort war es vollkommen still. Auf dem Boden lag nichts außer einem dicken Teppich aus totem Laub. Weder Gras noch Farn wuchsen hier; unter diesen grauen und grünen Buchen schien der Winter zu hausen. Wenn die Kinder diese Waldstücke durchquert hatten, war es ihnen, als kämen sie aus einem modrigen Keller in einen wunderschönen Garten.
    Auf ihrer Wanderung sahen sie viele Höhlen und Öffnungen in dem Berg, doch erforschten sie diese nie weiter als das Tageslicht reichte.
    Gerade als sie sich nach einem mühsamen Aufstieg vom Fuß des Edge auf den Heimweg machen wollten, stießen Susan und Colin auf eine Felsmulde, in die von einem überhängenden Stein stetig Wasser tropfte, und hoch oben war in den Fels das Gesicht eines bärtigen Mannes gemeißelt. Darunter war zu lesen:
    So viel ihr mögt
    Trinket davon,
    Denn auf Zaubrers Wunsch
    fließet der Bronn.
    «Schon wieder der Zauberer!», rief Susan. «Wir müssen wirklich von Gowther erfahren, was das alles zu bedeuten hat.
    Gehn wir gleich nach Hause und fragen ihn. Jetzt ist es wohl sowieso bald Zeit zum Tee.»
    Sie waren keine hundert Meter mehr vom Hof entfernt, als ein großer grüner Wagen sie überholte und scharf bremste.
    Die Fahrerin stieg aus und wartete auf die Kinder. Sie wirkte wie fünfundvierzig, war kräftig gebaut – «feist» war das Wort, mit der Susan sie beschrieb –, und ihr Kopf ruhte fest auf den Schultern, scheinbar ohne dazu eines irgendwie gearteten Halses zu bedürfen. Von ihren Nasenflügeln liefen zwei tiefe Falten zu den Winkeln ihres breiten, dünnlippigen Mundes, und die Augen waren etwas zu klein für ihren großen
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