Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gerettet oder beraubt werden konnten. Vielleicht auch beides.
    Irgendwo im Bereich des Schutthaufens fand folgendes Gespräch statt: »Dort hat sich etwas bewegt!«
    »Was, unter dieser Steinplatte? Sie wiegt mindestens eine Tonne. Bei den beiden Bärten Imtals, du mußt dich geirrt haben.«
    »Hierher, Brüder!«
Es folgten anhaltendes Knirschen und Schnaufen, als dicke Steine beiseite geschoben wurden. Schließlich: »Eine Kiste!«
    »Ob sie einen Schatz enthält?«
    »Sie hat Beine, bei den Sieben Monden Nasreems!«
    »Bei den fünf Monden…«
    »Sieh nur, sie marschiert davon.«
    »Laß die blöde Kiste, sie ist nicht wichtig. Ich möchte eins klarstellen: Die Legende erwähnt fünf Monde…«
In Klatsch nimmt man die Mythologie sehr ernst. Ganz im Gegensatz zur greifbaren Realität.
     

    D ie drei Reiter spürten eine Veränderung, als sie am mittwärtigen Ende der Sto-Ebene durch dichte Schneewolken sanken. Der Wind trug einen seltsamen Duft heran.
    »Riecht ihr das?« fragte Nijel. »Ich erinnere mich aus meiner Kindheit daran, damals, als ich noch ein kleiner Junge war. Ich erwachte am ersten Morgen des Winters, und wenn ich dann schnupperte…«
    Unter ihnen teilten sich die Wolken und gaben den Blick auf die Herde der Eisriesen frei. Sie reichte von einem Horizont bis zum anderen.
    Meilenweit erstreckte sie sich in alle Richtungen, und ein grollendes Donnern ertönte. Ganz vorn galoppierten die Bullengletscher, brüllten mit knackenden, knirschenden Stimmen und schoben einen Wall aus aufgeworfenem Geröll vor sich her. Hinter ihnen folgten Hunderte von Kühen und Kälbern und eilten über ein bereits glattgeschliffenes Land.
    Wer diese gewaltige Masse mit normalen, eher gutmütigen Gletschern vergleichen möchte, der stelle sich zunächst einen trägen Löwen vor, der irgendwo mit gut gefülltem Magen im Schatten liegt. Und denke dann an dreihundert Pfund außerordentlich gut koordinierte Muskeln, die mit weit aufgerissenem Rachen heranspringen.
    »… und… und wenn ich dann ans Fenster trat…«, Nijels Mund klappte zu, als die Steuerungsimpulse vom Hirn ausblieben.
    Bebendes Eis drängte mit zermalmendem Eifer über die Ebene, und an einigen Stellen stieg kalter Dampf auf. Der Boden erzitterte, als die Bullen über alle natürlichen Hindernisse hinwegstürmten. Wer sie beobachtete, gelangte unweigerlich zu dem Schluß, daß sie sich kaum mit einigen Tüten Streusalz aufhalten ließen.
    »Nur zu«, sagte Conina. »Erklär ihnen alles. Ich rate dir, möglichst laut zu sprechen.«
Nijel sah besorgt auf die Herde hinab.
    »Ich glaube, ich kann einige Gestalten erkennen«, warf Krösus hilfsbereit ein. »Ganz oben auf den…den Dingen an der Spitze.«
    Nijel spähte durch den Schnee und nickte langsam. Es hockten tatsächlich irgendwelche Geschöpfe auf den Gletschern. Sie wirkten menschlich. Oder humanoid. Oder wenigstens humanoidisch. Und sie schienen nicht besonders groß zu sein.
    Nijel gewann diesen Eindruck nur, weil er die Entfernung unberücksichtigt ließ und die Gestalten mit den natürlich weitaus gewaltigeren Ausmaßen der Gletscher verglich. Als die Pferde dicht über den Anführer der Herde hinwegschwebten – einen von Moränen zernarbten und durchfurchten Bullen –, stellte sich sofort heraus, daß man die Eisriesen deshalb Eisriesen nannte, weil sie riesig waren.
    Und aus Eis bestanden.
    Auf dem ersten Gletscher hockte ein Wesen, das selbst in einem mehrstöckigen Haus nicht ausreichend Platz gefunden hätte, und es trieb den Bullen mit einer langen, spitzen Stange an. Das Geschöpf erschien zerklüftet und facettiert, und es glitzerte in einem grünblauen Ton. Im schneeweißen Haar funkelte ein schmales, silbriges Band, und die Augen lagen tief in den Höhlen, sahen aus wie zwei dicke Kohlen. 23
    Es krachte ohrenbetäubend laut, als die ersten Gletscher einen Wald erreichten. Baumstämme brachen. Entsetzte Vögel flatterten umher. Schnee und Holzsplitter umwirbelten Nijel, als er durch die Luft ritt und neben dem Riesen verharrte.
    Er räusperte sich.
»Äh, entschuldige bitte«, sagte er.
Vor der brodelnden Brandung aus Erde, Schnee und zerschmetterten Bäumen ergriffen einige Karibus in blinder Panik die Flucht. Nur wenige Meter trennten ihre Hinterhufe von der wogenden Masse.
    Nijel versuchte es erneut.
»Hallo!« rief er.
Der Eisriese drehte den Kopf.
»Mwas mwillst du?« fragte er. »Verschmwinde, heißer Mensch.«
    »Nun, ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber ist dies wirklich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher