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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut
Autoren: Terry Pratchett
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Kollegen weiter oben einzunehmen, während er gleichzeitig den von unten nachrückenden Strebern auf die Finger tritt. Wer Zauberer beschreibt, indem er von natürlichem Konkurrenzdenken und angeborenem Ehrgeiz spricht, könnte ebenso gut behaupten, Piranhas seien von Natur aus ein wenig hungrig. Nun, seit den Magischen Kriegen, durch die weite Landstriche der Scheibenwelt unbewohnbar 5 wurden, ist es Thaumaturgen verboten, ihre Meinungsverschiedenheiten mit magischen Mitteln beizulegen. Aus solchen Duellen ergaben sich häufig Probleme für die Bevölkerung, und außerdem ließ sich nur schwer feststellen, welcher der beiden Rußflecken den Sieg errang. Um nicht zu lange auf Beförderungen warten zu müssen, machen Zauberer rituellen Gebrauch von Messern, unauffälligen Giften, in Schuhen versteckten Skorpionen und phantasievollen Fallen, die unter anderem rasiermesserscharfe Pendel verwenden.
    Niemand saß auf dem Stuhl des Erzkanzlers. Virrid Festschmaus speiste allein in seinem Arbeitszimmer, wie es sich für einen Mann gehörte, den die Götter nach einer längeren Beratung mit den anderen Seniorzauberern auserwählt hatten. Trotz seiner achtzig Lenze war er ein wenig nervös und aß nur einen Teil des zweiten Hähnchens.
    In einigen Minuten mußte er eine Rede halten. Als junger Magier hatte Festschmaus auf verschiedene Art versucht, Macht zu erringen: In schimmernden Oktagrammen trat er gegen Dämonen an, und er besuchte Dimensionen, die nicht für Menschen bestimmt waren. Es gelang ihm sogar, das Bezuschussungskomitee der Unsichtbaren Universität zu überlisten. Aber in den Acht Kreisen der Leere gab es nichts Schlimmeres, als sich mehreren hundert erwartungsvollen Gesichtern gegenüberzusehen, die einen durch dichten Zigarrenqualm anstarrten.
    Jeden Augenblick konnten die Herolde eintreffen, um ihn zum Großen Saal zu geleiten. Virrid Festschmaus seufzte und schob den Pudding beiseite, ohne ihn probiert zu haben. Mit einem leisen Ächzen stand er auf, durchquerte das Zimmer, blieb vor dem großen Spiegel stehen und tastete in seinen Taschen nach dem Manuskript der Ansprache.
    Schließlich holte er einige zerknitterte Blätter hervor und räusperte sich.
    »Liebe Brüder der magischen Kunst«, begann er. »Es ist mir eine große Freude, euch… hier… ich… Die ehrenhaften Traditionen dieser alten Universität… äh… Blicke ich mich um und sehe die Bilder der früheren Erzkanzler…« Festschmaus zögerte, starrte auf die Notizen herab und drehte die Zettel hin und her. Nach einer Weile fuhr er etwas selbstsicherer fort: »Während ich heute abend vor euch stehe, erinnere ich mich an die Geschichte vom dreibeinigen Hausierer und der, äh, Kaufmannstochter. Nun, was den Kaufmann betrifft…«
    Es klopfte an der Tür.
»Herein!« sagte Festschmaus laut und warf einen neuerlichen Blick auf sein eher unvollständiges Manuskript.
    »Der Kaufmann…«, murmelte er. »Der Kaufmann… Er hatte drei Töchter. Ja, ich glaube, es waren drei. Kein Zweifel. Äh, und eine davon…«
    Er sah in den Spiegel und drehte sich um.
»Wer bist d…«, brachte er hervor. Und stellte fest, daß es weitaus schlimmere Dinge gab, als Reden zu halten.

    D ie kleine, dunkel gekleidete Gestalt schlich durch leere Flure, hörte das Geräusch und achtete nicht darauf. Wo sich starke Magie bemerkbar machte, kam es häufig zu unangenehmen Geräuschen. Die Gestalt suchte nach etwas. Sie wußte nicht genau, um was es sich handelte, spürte jedoch, daß sie sich dem Ziel näherte.
    Nach einigen Minuten gelangte sie in Virrid Festschmaus’ Zimmer. Fette Rauchschwaden trieben durch die Kammer, und Rußpartikel bildeten einen schwarzen Nebel. Auf dem Boden zeigten sich mehrere fußförmige Brandspuren.
    Die Gestalt zuckte mit den Schultern – in den Arbeitsräumen von Zauberern mußte man auf allerlei Überraschungen gefaßt sein. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie ihr Abbild im gesplitterten Spiegel, rückte die Kapuze zurecht und setzte die Suche fort.
    Sie bewegte sich wie jemand, der auf eine innere Stimme hört, schritt völlig lautlos durchs Zimmer und blieb schließlich am Tisch stehen, auf dem eine große, runde und zerkratzte Schachtel aus Leder stand. Vorsichtig beugte sich die Gestalt vor und hob den Deckel.
    Die Stimme aus dem Innern des Behälters klang so, als filtere sie durch dicken Stoff. Endlich. Was hat dich so lange aufgehalten?

    » I ch meine, wie haben sie überhaupt angefangen? Ich meine, damals gab es noch echte
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