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Der Zauberer von Schreckenstein

Der Zauberer von Schreckenstein

Titel: Der Zauberer von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Für derlei Spielereien aber war den Rittern ihre Ehrlichkeit zu schade. Das käme einer totalen Überwachung gleich und wäre obendrein völlig witzlos gewesen. Da könnte Ottokar ja gleich fragen: Wer plant einen Streich, und worum geht es dabei? Streiche kündigten sich anders an. Sie lagen entweder in der Luft, oder man merkte überhaupt nichts. Wenn sich nach dem Abendessen der Ritterrat in der Folterkammer versammelte, besagte das noch gar nichts. Die Großen trafen sich dort regelmäßig. Ottokar, Stephan und Hans-Jürgen saßen in den steinernen Richtersesseln hinter dem steinernen Richtertisch, von dem Mücke und Witzbold Klaus die Beine baumeln ließen. Dampfwalze ruhte seine Muskeln auf der Streckbank aus, Dieter und Andi kauerten auf Holzklötzen vor dem Kamin. Und im Kasten an der Wand stand wie immer Paule, das Schreckgespenst.
    „Ich hatte heute so die Idee, dass man mit dem Kunstheini was anfangen sollte“, dachte Stephan laut, „aber er hat uns eigentlich keinen Anlass geliefert, außer dass er uns langweilt...“
    „Das ist doch mehr als sträflich!“ fiel ihm Mücke ins Wort.
    „Der spuckt Gift und Galle!“ bemerkte Dieter. „Ich saß bei der Gotik ganz vorn!“
    „Diesmal kriegt er ein Mikrofon“, erklärte Ottokar. „Der Rex hat auch gesagt, er sei zu leise.“ Es stellte sich heraus, dass der zierliche Professor, der jedes mal von Mauersäges Diener Jean mit dem Wagen in Neustadt abgeholt und wieder zurückgebracht wurde, Bissigkeiten in ausreichender Menge von sich gegeben hatte, um ihn mit einem Streich zu belohnen, oder, wie Klaus es ausdrückte, „...ihn mit Schreckensteiner Lebensart vertraut zu machen“.
    „Mit vielen Fremdwörtern!“ empfahl Hans-Jürgen. Kraftvoll richtete sich Dampfwalze von der Streckbank auf, tat gebrechlich, was bei ihm besonders komisch aussah, und ahmte den Professor nach: „In ihrer banalastralen Trutzigkeit ist Burg Schreckenstein ein fossiles Relikt telefonisch-traumatischer Raubritterepidemien...“
    „Mann, toll!“ rief Andi.
    Doch Klaus bremste. „Vorsicht! Fremdwörter sind nicht nur Glückssache, da geht einem auch schnell die Luft aus.“
    „Du weißt nicht, was mir vorschwebt!“ entgegnete Dampfwalze. „Aber das kann ich nur Ottokar sagen.“ Er ging um den Richtertisch herum und flüsterte dem Schulkapitän lange ins Ohr.
    „Ist das die neue Schreckensteiner Art?“ fragte Mücke spitz.
    „Hoffentlich halten wir die Spannung aus!“ alberte Klaus.
    Ottokar hatte immer wieder genickt und sagte schließlich: „Dampfwalze hat eine Super-Idee. Aber ihr müsst Verständnis haben. Das ist ein Zwei-Mann-Streich, und wir können auch nicht drüber reden. Sonst reagiert ihr nachher lahm, statt spontan. Doch wir brauchen eine Riesenstimmung. Davon hängt alles ab.“
    „Ihr könnt uns nur vertrauen oder es bleiben lassen“, fügte Dampfwalze hinzu.
    Die sechs Ratsmitglieder sahen einander an.
    „Dann macht mal!“ sagte Stephan für alle. „Von einem Streich wissen, ohne ihn zu kennen — das ist eine ganz neue Erfahrung.“
    „Okay“, schloss sich Mücke an.
    Und Klaus witzelte wie immer: „Erst kleine Unterhose, dann großes Geheimnis. Dampfwalze hat heute seinen beachtlichen Tag.“

Vortrag mit Einfuhrzoll

    Im Rittersaal, der den Schultrakt mit Mauersäges Privatteil verbindet, hatte Ottokar unter Mithilfe von Werner, Pummel und Eugen eine Lautsprecheranlage aufgebaut, die, wie er sagte, kein Ohr taub lässt, oder wie Pummel es ausdrückte: Da wird das Fallen einer Stecknadel auf das Rednerpult noch in der hintersten Ecke als Kanonenschlag empfunden.
    Die letzten Feinheiten, die man getrost als Schwerarbeit bezeichnen konnte, hatten Ottokar und Dampfwalze ohne die andern ausgeführt. Beide waren seit der Teepause von keinem Ritter mehr gesehen worden.
    Als Kommandostand, von dem aus er den ganzen Saal überblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden, kam für den Schulkapitän nur die lange getäfelte Wand in Frage. Dort standen die Rüstungen aus der Familie derer von Schreckenstein aufgereiht. Er hatte sich die größte ausgesucht, doch auch sie war ihm noch zu klein. Also stellte er sie kurzerhand auf einen Schemel, befestigte rechts und links davon zwei alte Vorhänge an der Täfelung, mit Sicherheitsnadeln an der Rüstung und drapierte sie unten kunstvoll um den Schemel. So konnte er, auch von den Seiten ungesehen, dahinter treten, den Kopf im Helm, durch das Visier den Saal überblicken und, während die kurzen
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