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Der Zauberer von Schreckenstein

Der Zauberer von Schreckenstein

Titel: Der Zauberer von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Blecharme leer und reglos herunterhingen, seine Hände hinter dem Brustpanzer frei bewegen, was für gewisse Umschaltungen unerlässlich war.
    Bevor sich Ottokar in seinen Kommandostand begab, musste er ein zweites Mal auf dem Dachboden die Winde mit dem großen Kronleuchter betätigen. Diesmal allein. Dampfwalze fiel als Helfer aus.
    Der lag zu diesem Zeitpunkt hinter einer dicken Wurst aus Papiergirlanden, Tannenzweigen und Schnittblumen auf den Speichen des zentnerschweren, radförmigen Beleuchtungskörpers, die Ohren unter dicken Kopfhörern, vor sich ein Mikrofon, daneben den Spickzettel und durch einen Sehschlitz das Rednerpult genau im Blickfeld. Die Fahrt zur Saaldecke war zu Ende. Das Rucken und Schaukeln hörte auf. Nach einer Ewigkeit ein Knacken in der Leitung, dann Ottokars Stimme:
    „Hörst du mich?“
    „Das war ja noch schöner!“
    „Alles in Ordnung?“
    „Ich hab schon bequemer gestöhnt.“
    „Vermeide jede Bewegung und vor allem Lachen!“
    „Längst vergangen!“ beruhigte ihn Dampfwalze.
    „Okay. Ich schalte jetzt auf Rednermikro um!“
    Wieder Knacksen. Dann rauschte es in Dampfwalzes Ohren, als spüle die Brandung des Kappellsees in den Saal herein. Ihm wurde heiß und heißer. Unter den Speichen strahlten ein paar hundert Watt, und Wärme steigt ja bekanntlich hoch. Der Saal füllte sich. Die Ritter und die Mädchen von Rosenfels auf der anderen Seite des Kappellsees drängten herein. Ottokar sah durch das Visier Sophie, Beatrix und Ingrid, Mückes Schwester. Auch Sonja, Waldmanns Tochter und Musiklehrerin in dem Mädcheninternat, war dabei und natürlich Fräulein Doktor Horn, die Leiterin.
    Mit ihr gab es immer Schwierigkeiten. Auch diesmal. Sie hatte gerade in der ersten Reihe Platz genommen, da fuhr sie mit einem Aufschrei wieder hoch, fasste an ihre Kehrseite und rief: „Ein Reißnagel! Was sagen Sie dazu, Direktor Meyer?“

    „Entschuldigen Sie!“ Der Rex lächelte verhalten. „Ich wollte Sie bestimmt nicht festnageln.“
    Zuletzt kam Mauersäge mit dem kleinen Professor. Sie begrüßten die Ehrengäste in der ersten Reihe; der Hausherr kletterte auf das Podest und hieß alle willkommen. Dampfwalze im Kronleuchter kannte ihn gut genug, um ungefähr zu wissen, wann er schalten würde. Als es seiner Ansicht nach so weit war, drückte er kurz die Taste an seinem Mikrofon, womit er das am Pult ausschaltete, und gab das bekannte Knacken von sich, das bei ihm lauter ausfiel.
    Ingrid lachte ziemlich ungeniert. Dampfwalze nahm es als Bestätigung: Die Anlage arbeitete einwandfrei.
    Noch einmal schaltete Mauersäge ohne Verstärkung, dann kletterte der Professor auf das Podest und stellte sich hinter das Pult. Selbstsicher lächelte er in den Saal, knöpfte seine Jacke auf, zog ein Manuskript aus der Innentasche, rückte die Krawatte zurecht, strich sich über das Haar, schob das bereitstehende Glas Wasser ein paar Zentimeter zur Seite und machte all die Mätzchen, mit denen muskelschwache Typen gern ihre geistige Überlegenheit unterstreichen.
    „Verehrter Graf Schreckenstein!“ begann er endlich mit heller, aber gut zu verstehender Stimme. „Geschätzte Gäste, liebe Jungen und Mädchen.“ Er unterdrückte ein Niesen und fuhr fort: „Wenn Sie jetzt die Augen schließen und relaxen, ersparen Sie sich viel, denn ich werde in meiner inkompetenten Art auch heute wieder denselben Nonsens verzapfen, wie das letzte mal...“
    Bewegung kam in die Zuhörer. Sie murmelten. „Das darf nicht wahr sein!“ sagte Klaus laut.
    Der Professor zog eine Grimasse, als habe er nicht recht gehört, und fing zu stottern an. „Was... was rede ich denn da? Das... das habe ich doch gar nicht gesagt. Noch mal!“ Wieder unterdrückte er ein Niesen. Dampfwalze ließ den Knopf los und gab die Anlage für den zweiten Anlauf frei.
    „Verehrter Graf Schreckenstein, liebe Gäste, liebe Jungen und Mädchen...“
    Hier drückte Dampfwalze wieder, und die Zuhörer kamen aus dem Staunen über diesen Professor nicht mehr heraus, der die Lippen bewegte, sich über seine eigenen Worte aber nicht minder zu wundern schien: „Ich habe es mir anders überlegt. Ich werde noch größeren Nonsens verzapfen als das letzte mal . Ich kann das. Ich halte nämlich den Nonsensweltrekord!“
    „Bravo!“ rief Andi und klatschte spontan in die Hände. Klaus und Dieter klatschten mit und lösten eine Beifallswelle aus, dass Dampfwalze und Ottokar Mühe hatten, ruhig zu bleiben. Befremdet sah sich der Professor um. Doch dann
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