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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens
Autoren: Lesley Pearse
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den neunzehn Monaten, die inzwischen vergangen waren, hatte es insgesamt weniger als sieben Tage gegeben, an denen sie nicht einen einzigen Hut verkauft hatte, und das nur wegen Schlechtwetters. Im Durchschnitt verkaufte sie ungefähr fünfzehn Hüte pro Woche, und das hieß zwar, dass sie hart arbeiten und eine Hilfskraft beschäftigen musste, um der Nachfrage nachzukommen, aber auch, dass sie gute Gewinne erzielte. Im Frühling hatte sie schlichte Strohhüte gekauft und selbst aufgeputzt, und dieser Einfall hatte sich als äußerst einträglich erwiesen. Ihr Laden war ein durchschlagender Erfolg.
    Wie alles in deinem Leben, rief sie sich in Erinnerung, als sie das Licht ausmachte.
    Etienne ging direkt zum Bahnhof, aber als er feststellte, dass er gerade einen Zug verpasst hatte und fünfundzwanzig Minuten auf den nächsten warten musste, stellte er sich neben den Kartenschalter ans Fenster und starrte auf die Bahnhofswirtschaft auf der anderen Straßenseite.
    Er hatte die englischen Kneipen nie wirklich begriffen, die strikten Öffnungszeiten, die Männer, die an der Theke standen, um Unmengen Bier in sich hineinzuschütten, und dann zur Sperrstunde auf unsicheren Beinen heimwärts wankten, als könnten sie ihre Frauen und Kinder nur im Zustand der Trunkenheit ertragen. In französischen Lokalen ging es wesentlich zivilisierter zu. Niemand sah in ihnen eine Art Tempel, den man aufsuchte, um sich zu betrinken, denn sie waren den ganzen Tag geöffnet, und niemand wurde schief angesehen, wenn er beim Zeitunglesen einen Kaffee oder eine Limonade trank.
    Das Railway Inn wirkte mit seinem frischen Anstrich und den blank geputzten Fenstern wenigstens sehr einladend, und er konnte sich gut vorstellen, dass es an kalten Winterabenden ein warmer, anheimelnder Zufluchtsort war.
    Noch während Etienne es betrachtete, kam ein großer Mann mit rotem Haar und Bart heraus. Er trug über seinen Sachen eine Lederschürze, und Etienne nahm an, dass das Garth Franklin war, Jimmys Onkel. Er starrte auf eine Stelle der Dachrinne, aus der Wasser spritzte, lief am Gebäude entlang und rief nach jemandem.
    Ein junger Mann trat aus dem Haus, und Etienne wusste sofort, dass es Jimmy war. Er war größer, als er gedacht hatte, genauso groß und breitschultrig wie sein Onkel, doch er war sorgfältig rasiert, und sein rotes Haar war gepflegt und ein wenig dunkler als Garths, vielleicht weil er es mit Haaröl glatt gestrichen hatte. Die beiden, die wie Vater und Sohn wirkten, standen im Regen, anscheinend ohne ihn wahrzunehmen, starrten nach oben und sprachen über das Leck in der Dachrinne.
    Auf einmal drehte Jimmy sich um und lächelte strahlend, undEtienne stellte fest, dass der Grund für dieses Lächeln Belle war, die gerade auf die beiden zukam.
    Sie mühte sich ab, ihren Schirm senkrecht und ihren Umhang auf den Schultern zu halten, aber trotzdem rannte sie die letzten paar Meter. Als sie bei den beiden Männern war, kippte ihr Schirm nach hinten, und Etienne fiel auf, dass sie genauso strahlte wie ihr Mann.
    Jimmy nahm ihr mit einer Hand den Schirm ab, während er mit der anderen über ihre feuchte Wange strich, und küsste sie auf die Stirn. Allein diese kleinen zärtlichen Gesten verrieten Etienne, wie sehr der Mann sie liebte.
    Er konnte nicht länger hinsehen. Auch wenn ihm das Wissen, dass Belle aufrichtig geliebt und behütet wurde, inneren Frieden hätte schenken sollen, war alles, was er empfand, bittere Eifersucht.

KAPITEL 2
    Belle, die gerade über ihren Entwürfen saß, hob den Kopf und runzelte die Stirn über den Lärm, der aus dem Lokal nach oben drang. Ein derartiges Getöse hätte sie an einem Samstagabend kurz vor der Sperrstunde erwartet, nicht jedoch an einem Dienstag um acht Uhr.
    Mogs häusliche Talente hatten sich seit dem Umzug nach Blackheath voll entfaltet. Das Wohnzimmer war ein großer Raum mit zwei Schiebefenstern, die zur Straße gingen. Nachmittags und abends schien die Sonne herein, und die Farben, die Mog gewählt hatte – blassgrüne Tapeten mit einem zarten Blattmuster, moosgrüne Samtvorhänge und ein weicher Orientteppich, den sie bei einer Auktion ersteigert hatte –, waren elegant und trotzdem anheimelnd.
    Die Vorbesitzer der Gaststätte hatten die riesige Couch zurückgelassen, wahrscheinlich deshalb, weil sie schon bessere Tage gesehen hatte, aber Belle und Mog hatten einen losen Chintzüberwurf genäht und aus demselben Stoff Bezüge für die beiden Armsessel angefertigt, die sie aus Seven
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