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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens
Autoren: Lesley Pearse
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hitzköpfiger Amateure. Doch was er auch sagen mochte, Belle hatte den Verdacht, dass der Druck von anderen Männernund eine Welle des Patriotismus ihn umstimmen könnten. Mog hatte vermutlich recht mit der Annahme, dass die meisten Rekruten nur auf ein Abenteuer aus waren, aber etliche von ihnen würden getötet oder verwundet werden, und einer davon könnte auch Jimmy sein.
    Allein bei der Vorstellung, Jimmy zu verlieren, stiegen Belle Tränen in die Augen. Sie konnte und wollte nicht an ein Leben ohne ihn denken. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und fragte sich, warum sie in den letzten Wochen so nah am Wasser gebaut war. Erst am Vortag war sie in Tränen ausgebrochen, als sie eine Schachtel mit Bändern von ihrem Lieferanten geöffnet und festgestellt hatte, dass er ihr vier Rollen rotes Band statt jeweils einer in Rot, Rosa, Blau und Gelb geschickt hatte.
    Aber im Grunde war sie seit jenem Tag im Juni, als Etienne bei ihr im Laden erschienen war, nicht mehr sie selbst. Kurz nach seinem Besuch war es sehr warm geworden, und die Nachfrage nach Strohhüten war schlagartig gestiegen. Belle hatte zu diesem Zeitpunkt noch einige, die sie bereits aufgeputzt hatte, vorrätig, sodass es keinen Grund zur Panik gab, aber sie war trotzdem außer sich und beeilte sich, bei ihrem Zulieferer in Lewisham fast den gesamten Bestand aufzukaufen. Aber statt sich daranzumachen, die Hüte zu verzieren, ertappte sie sich dabei, gedankenverloren aus dem Ladenfenster zu starren. Tagsüber nickte sie immer wieder ein, um dann in der Nacht keinen Schlaf zu finden. Auch wenn sie den ganzen Tag Hunger hatte, war ihr der Appetit vergangen, wenn Mog abends das Essen auftischte. Auch um ihre Konzentrationsfähigkeit schien es geschehen zu sein; sie war offenbar nicht in der Lage, sich länger als eine halbe Stunde mit ein und derselben Sache zu beschäftigen.
    Zuerst glaubte sie, der Grund dafür wäre, dass Etienne alte Erinnerungen wachgerufen hatte; es ließ sich nicht leugnen, dass sie häufig Tagträumen nachhing. Aber jetzt fragte sie sich, ob es vielleicht nur am Krieg lag. Es war schwer, nach vorn zu blicken, wenn man nicht wusste, was die Zukunft bringen würde. Doch waren tatsächlich der Krieg und die Ungewissheit die Ursache, dass sie ständig leicht reizbar, benommen und müde war? Sie hatte sich weder Mog noch Jimmy anvertraut, weil es nichts Handfestes zu beschreiben gab, und außerdem befürchtete sie, versehentlich Etienne zu erwähnen, wenn sie mit einem von beiden sprach.
    Wohl war ihr nicht bei dem Gedanken, seinen Besuch zu verschweigen. War es denn nicht ganz normal, ihre Familie an der Freude über das Wiedersehen mit einem alten Freund teilhaben zu lassen? Aber in Wahrheit hatte sie natürlich Angst, etwas zu sagen, das Jimmy auf die Idee bringen könnte, dass ihre Gefühle für Etienne keineswegs rein freundschaftlicher Natur gewesen waren.
    Eins stand fest, einen besseren Ehemann als Jimmy gab es nicht. Noch nie hatte er ihr ihre Vergangenheit vorgehalten, nicht einmal in einem Moment des Zorns oder der Eifersucht, und das konnten sicher nicht viele ehemalige Huren von ihrem Ehemann behaupten.
    Aber Jimmy hatte ihr niemals einen Vorwurf gemacht. Er war gütig, ausgeglichen, rücksichtsvoll und würde einfach alles für sie tun. Doch was noch ungewöhnlicher war und was sie wirklich zu schätzen wusste, war, dass sie in ihrer Ehe eine Freiheit genoss wie kaum eine andere Frau. Jimmy mischte sich nie in ihre geschäftlichen Angelegenheiten ein, er war stolz, dass sie so gut zurechtkam, und falls sie einmal Schiffbruch erleiden sollte, würde er ihr helfen, das wusste sie. Und er vergötterte sie.
    Selbst wenn Etienne ihr damals in Paris seine Liebe gestanden hätte und sie ihn statt Jimmy geheiratet hätte, wäre daraus nie die Art harmonischer Beziehung entstanden, die sie mit Jimmy verband, das sagte Belle ihr gesunder Menschenverstand. Noah hatte recht gehabt, als er sie auf der Heimreise nach England darauf hingewiesen hatte, dass Etienne ein gefährlicher Mann war. Natürlich würde er ihr niemals etwas antun, doch er war ein komplizierter, schwer zu durchschauender Mensch mit einer düsteren Vergangenheit.
    Aber jetzt war er endgültig aus ihrem Leben verschwunden. Vielleicht kämpfte er schon gegen die Deutschen. Belle hoffte inständig, dass ihm nichts zustoßen würde.
    »Einen Penny für deine Gedanken!«
    Belle fuhr herum, als sie Mogs Stimme hörte. Sie war so sehr in ihre schuldbewussten
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