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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels
Autoren: Rachel Hore
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sehr überzeugend. Das ärgerte mich, weil ich die halbe Nacht wach gelegen und alles genau durchdacht hatte.
    Endlich drehte Zac sich zu mir um. Aber da er eine Sicherheitsbrille trug, konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Plötzlich riss er die Brille herunter. Sein Blick traf meinen, und ich war erschrocken über die Wut in seinen Augen.
    »Und dann verschwindest du wieder und lässt dich bis in alle Ewigkeit nicht blicken.« Seine Worte trafen mich wie eine kalte Dusche.
    »Das ist doch Unsinn«, giftete ich zurück, »warum bist du so böse? Du weißt doch genau, dass mein Vorschlag vernünftig ist.«
    »Du kannst tun und lassen, was du willst. Was geht’s mich an?«
    »Was geht dich nichts an? Und was fällt dir ein, so mit mir zu reden?«
    »Wann du kommst und wann du gehst. Dein Dad musste viel zu lange allein zurechtkommen. Es geht ihm schon seit Jahren nicht gut.«
    »Aber er war nicht allein. Er hatte doch dich.«
    Zac verdrehte die Augen. »Entschuldige, wenn ich das so offen sage, aber du bist ganz schön schwer von Begriff. Ich rede nicht von der Arbeit. Er braucht eine Familie, Fran. Er braucht dich. Du hättest ihn häufiger besuchen sollen. Ich habe getan, was ich konnte, habe ein Auge auf ihn gehabt. Aber das ist nicht so einfach. Es steht mir nicht zu, ihn an seine Medizin zu erinnern oder zu ermahnen, dass er anständig essen soll.«
    Das war also der Grund für seine Wut. Er hielt mich für eine pflichtvergessene Tochter. Natürlich hatte er nicht ganz unrecht, aber er hatte ja keine Ahnung, was dahintersteckte. Vielleicht hätte ich es ihm erklären sollen, aber dazu war ich viel zu verärgert und viel zu stolz. Ich hatte nie mit jemandem über die Beziehung zu meinem Vater gesprochen, nicht mal mit meiner ältesten und besten Freundin Jo. Die ganze Geschichte war zu persönlich und zu kompliziert.
    Also antwortete ich nur mit gesenkter Stimme: »Du verstehst das nicht. Und überhaupt, was ist mit meinem Leben, Zac? Ich habe das getan, was Kinder üblicherweise tun. Sie werden erwachsen, sie gehen aus dem Haus, sie führen ihr eigenes Leben.«
    »Ja, aber sie sollten ihre Eltern trotzdem nicht einfach im Stich lassen. Er hatte doch sonst niemanden.« Er funkelte mich aus zusammengekniffenen Augen an, hatte die Handflächen auf den Arbeitstisch vor sich gestützt.
    »Zac, jetzt gehst du wirklich einen Schritt zu weit. Was ist denn mit deinen Eltern? Sie leben schließlich auch ein ganzes Stück von Glasgow entfernt.«
    »Es tut mir leid, Fran, ich wollte dir nicht zu nahe treten.« Seine Stimme klang besänftigt. »Meine Ma ist schon lange tot … seit zwölf Jahren. Mein Dad hat wieder geheiratet, eine viel jüngere Frau. Sally und ich verstehen uns nicht besonders. Sie denkt wohl nicht so gern daran, dass Dad alt genug ist, um einen dreißigjährigen Sohn zu haben. Jedenfalls braucht er mich nicht. Das ist etwas ganz anderes.«
    Dann war sein Leben also genauso einsam wie meins, zumindest was die Familie anging. Trotzdem hatte er nicht das Recht, mir Vorträge über meine Familienpflichten zu halten.
    Ich versuchte noch einmal, meinen Standpunkt deutlich zu machen. »Zac, als Musikerin muss ich da hingehen, wo ich Engagements bekomme.«
    Auch darauf wusste er eine Antwort. »Du hattest oft genug Gelegenheit, zwischen deinen Engagements nach Hause zu kommen und deinen Vater zu besuchen. Oder du hättest für irgendein Orchester in London spielen können. Wie auch immer, in den Jahren, in denen ich hier arbeite, bist du nur selten zu Besuch gewesen. Seit Weihnachten nicht mehr. Und davor … ich kann mich gar nicht mehr erinnern.«
    Offen gestanden, ich mich auch nicht, aber darum ging es jetzt nicht. Ich arbeitete. Oder reiste. Tat all das, was man tat, wenn man jung war und sich um Erfolg im Beruf bemühte.
    Allerdings musste ich zugeben, dass Dad mir ziemlich gebrechlich vorgekommen war, als ich ihn das letzte Mal gesprochen hatte. Mir war klar, dass ich mich mehr darum hätte bemühen müssen, ihn zu sehen. Zac hatte recht. Ich hatte Dad genauso vernachlässigt wie meine alten Freunde – und das war eine Erkenntnis, bei der mich eine Welle tiefer Trostlosigkeit durchflutete.
    »Aber jetzt bin ich doch hier, oder?«, sagte ich müde und erschöpft. »Ich besuche ihn und kümmere mich um alles, oder? Wie gesagt, bis auf Weiteres werde ich dir helfen, den Laden weiterzuführen …«
    »Schon. Aber was ist, wenn …«, er zögerte und korrigierte sich, » falls er aus dem
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