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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati
Autoren: Camille de Peretti
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ein paar Zigarren versehen, und darauf wartete, dass der eilendst herbeigerufene Arzt triumphierend aus dem Schlafzimmer käme, um ihm mitzuteilen, alles sei gut verlaufen.
    Liebe braucht Vorstellungskraft, und ich habe fest vor, Luisa zu lieben. Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, kenne ich sie noch kaum; ich möchte sie mir zu eigen machen, auch wenn das bedeuten sollte, sie zu verraten, zu verformen. Ich kann keine Biographie verfertigen. Und ich habe schöne Lügen immer gemocht, im Leben wie in der Literatur. Dieses Buch ist ein Roman. Luisa Adele Rosa Maria ist ein Produkt meiner Phantasie, darum werde ich in ihre Haut schlüpfen, in die Haut dieses Neugeborenen, für das die Welt bislang aus nichts als verschwommenen Flecken besteht. Genau wie Luisa weiß ich nicht, was uns erwartet.
    Trotzdem werde ich mich bemühen, so nahe an den Fakten zu bleiben wie möglich. So weiß ich, dass Luisas Vater, Alberto Amman, einen tiefverwurzelten Sinn für Innovationen besaß. Er hatte nach Übernahme der väterlichen Geschäfte für eine rasante Blüte gesorgt, indem er Emilio Wepfer als Kompagnon gewann. Die Amman-Wepfer-Gesellschaft war 1875 gegründet worden. Beide entwickelten gemeinsam eine sehr leistungsfähige Baumwollspinnmaschine, die sofort ein großer Erfolg war. Er konnte nicht viel Zeit in der Spinnerei in Pordenone verbringen, davon hielten ihn die Verpflichtungen in der Fabrikverwaltung in Mailand ab. Hier gründete er die Vereinigung der italienischen Baumwollhersteller und wurde ein bedeutender Akteur der industriellen Gesellschaft. Mit zweiunddreißig Jahren heiratete er Lucia Bressi. Im Jahr darauf, am 22. Januar 1880, kam ihr erstes Kind zur Welt, Francesca. Ein Jahr und einen Tag später folgte Luisa am 23. Januar 1881; da war ihr Vater gerade auf der Italienischen Messe in Mailand mit einer Goldmedaille ausgezeichnet worden.
    Die Mutter muss von zwei so nah beieinanderliegenden Geburten recht erschöpft gewesen sein. Zwar nimmt eine Armee von Hausangestellten, Köchinnen und Ammen der Contessa das Windelwaschen, das Bügeln der bestickten Sabberlätzchen und die Schmerzen des Stillens ab, doch kann das nicht das Einschießen der Milch und die nassen Flecken auf dem feinen Batistnachthemd verhindern. In jener Zeit, in der es als besonders weiblich galt, sich in enge Korsette zu zwängen, hat sie ihren Bauch mit Entsetzen sehen müssen. Sie war nicht darauf gefasst, dass er, als das Kind hinaus war, so eine schlaffe Tasche würde, ein halb aufgeblasener Ballon. Ja, Lucia möchte bald wieder in ihre Ballkleider schlüpfen.
    Die Ammans sind märchenhaft reich. Sie besitzen verschiedene Liegenschaften, eine Wohnung im Geschäftsviertel von Mailand, ein Haus bei der Baumwollfabrik, in dem König Umberto häufig zu Gast ist, und vor allem die Villa Amalia. Ein riesiges strohgelbes Herrenhaus, dessen große Fenster auf einen prunkvollen Park hinausgehen.
    Ich plane eine Reise zur Villa Amalia. Wenn ich genug Zeit habe, nehme ich den Zug. Zugreisen habe ich immer geliebt.

A us Luisas früher Kindheit ist nur sehr wenig bekannt. Man nimmt an, sie habe sie ohne größere Erschütterungen durchlebt. Ihre große Schwester zog sie wahrscheinlich an den Haaren und klammerte sich an sie, wenn die Mutter sie auf den Arm nahm. Luisa schrie gellend und sorgte so dafür, dass ihre Schwester bestraft wurde. Der Vater interessierte sich kaum für seine Töchter. Er mochte die Unruhe nicht, die sie verbreiteten, und sagte den Kindermädchen, sie sollten sie woandershin zum Spielen bringen. Luisa mochte die Küsse ihres Vaters nicht, der Tabakgeruch und die pomadisierten Schnurrbartenden waren ihr zuwider. Den Chignon ihrer Mutter hingegen liebte Luisa, ein Wunder von Windungen. Stundenlang konnte sie die erlesen verschlungenen Strähnen des langen braunen Haares betrachten. Wenn ihre Eltern sich abends zum Ausgehen fertig machten, bewunderte Luisa von fern die makellose Hemdbrust ihres Vaters unter dem vergoldeten Leuchter der Eingangshalle und auf der Schleppe von Mamas Kleid die zahllosen, wie Sternenstaub funkelnden Pailletten. Wie schön sie ihre Mutter fand. «Ginetta, geh jetzt ins Bett!» So lautete ihr zärtlicher Spitzname. Die Kleine trollte sich geblendet, mit Augen so rund wie Murmeln.

    Es gibt Porträts von Conte Alberto und Contessa Lucia Amman. Er mit lebhaften Augen und forschem Kinn, kahler Stirn – die Sorgen, dachte ich beim Betrachten –, mit gestärktem Kragen, tadellos. Sehr viel härter als
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