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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon
Autoren: Laura Joh Rowland
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käme, denn er ist der Ältere.«
    »Wo wir gerade von Masahiro reden ...«, sagte Sano und legte den Finger auf die Lippen, als ihr Sohn ins Zimmer kam. Sie begrüßten einander, dann fragte Sano: »Was hast du heute gemacht?«
    »Ich habe Ermittler gespielt«, antwortete Masahiro.
    Sano und Reiko tauschten einen Blick. Nachdem ihr Sohn seine Begabung für die Detektivarbeit unter Beweis gestellt hatte, konnten sie ihm solche Spiele nicht mehr verbieten. »Ich möchte dich etwas fragen, Masahiro«, sagte Sano. »Woher hast du gewusst, dass die Gemahlin des Shōgun den Vorschlag Yanagisawas zurückgewiesen hat? Du hast doch gesagt, du hättest das Gespräch zwischen Yanagisawa und den drei Damen nicht mithören können, weil sie zu weit weg waren.«
    »Ja, beim ersten Mal«, antwortete Masahiro. »Beim zweiten Mal haben sich nur Yanagisawa und die Frau des Shōgun getroffen, und da konnte ich alles mithören, weil ...« Er schlug die Hand vor den Mund.
    »Das zweite Mal?«, stieß Reiko schockiert hervor. »Soll das heißen, du hast Yanagisawa zwei Mal nachspioniert?« Masahiros betretenes Schweigen war Antwort genug. Reiko blickte Sano an. »Woher hast du das gewusst?«
    »Es ist Toda Ikkyu herausgerutscht, als ich mit ihm gesprochen habe«, erwiderte Sano. »Auch er war nicht ganz ehrlich zu mir.«
    Reiko funkelte ihren Sohn an. »Wir hatten dir doch verboten, Yanagisawa nachzuspionieren!«, schalt sie. »Du warst ungehorsam!«
    Masahiro wand sich. »Bestraft ihr mich jetzt?«
    Reiko breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus und blickte Sano an.
    »Denk du dir eine Strafe für ihn aus«, sagte Sano. »Ich bringe es nicht übers Herz.«
    Auch Reiko konnte es nicht; schließlich hatte Masahiro ihnen geholfen, Yanagisawas verbrecherische Pläne aufzudecken. Also beließ Reiko es dabei, ihren Sohn streng anzublicken. »Diesmal hast du noch Glück gehabt«, sagte sie, »aber tu so etwas nie wieder!«
    »Bestimmt nicht«, sagte Masahiro feierlich. »Ich verspreche es.«
    »Gut«, sagte Reiko. »Dann geh jetzt ins Bett. Es ist schon spät.«
    »Ja, Mutter. Gute Nacht, Vater.« Masahiro machte sich davon, bevor seine Eltern es sich anders überlegten und ihm doch noch eine Strafe auferlegten.
    »Wie sollen wir jetzt in Zukunft Nein sagen, wenn er bei deinen Ermittlungen helfen will?«, fragte Reiko reumütig.
    Sano lachte leise.
    »Was ist?«, wollte Reiko wissen.
    »Ich muss an den Tag denken, als Major Kumazawa zu mir gekommen ist und mich um Hilfe gebeten hat. Ich dachte, ich müsste bloß Chiyo finden, und alles wäre erledigt. Ich hielt es für die einfachste und harmloseste Sache auf der Welt.« Sano schüttelte den Kopf. »Manchmal kommt es anders, als man denkt.«
    »Aber du hast Chiyo gefunden. Und auch die Verbrecher, die sie, Fumiko und die Nonne entführt und vergewaltigt haben.« Reiko blickte Sano bewundernd an. »Hättest du sie nicht aufgehalten - wer weiß, wie vielen Frauen diese Bestien sonst noch Gewalt angetan hätten. Und Chiyo und Fumiko hätten niemals ihre Rache bekommen.« Sie verzog das Gesicht. »Es ist ungerecht, was mit dir passiert ist!«
    »Das Leben ist nicht immer gerecht«, erwiderte Sano. »Bis jetzt konnte ich mich nicht beklagen. Wahrscheinlich war es an der Zeit, dass ich einen Dämpfer bekomme. Damit werde ich schon fertig.« Er verstummte, dann fügte er bedauernd hinzu: »Ich wünschte nur, ich hätte Nobuko und die alte Frau auf dem Boot retten können.«
    »Die alte Dame ist wohlbehalten zu ihrer Familie zurückgekehrt. Und das hat sie dir zu verdanken.« Reiko liebte Sano für seine Zuversicht, dafür, dass er sich nicht über die Ungerechtigkeit des Schicksals beklagte, und dafür, dass er das Wohlergehen der anderen auch dann nicht aus dem Auge verlor, wenn er selbst in Schwierigkeiten steckte. Reiko war zuversichtlich, dass sie auch diese Krise meistern würden.
    »Ich wünschte nur, ich könnte den Bruch zwischen meiner Familie und dem Kumazawa-Klan kitten«, sagte Sano.
    Reiko wusste, dass Sano sich die Aussöhnung wünschte, vor allem, weil seine Mutter eine Kumazawa war, obwohl der Major ihn nicht gerade freundlich behandelt hatte.
    »Vielleicht gelingt es dir ja noch«, sagte sie.
    »Vielleicht. Dann hätte alles, was geschehen ist, immerhin etwas Gutes gehabt«, murmelte Sano. »Ich habe da eine Idee.«

Epilog

    Die Regenzeit war zu Ende, als Sano wieder zum Anwesen der Kumazawa ritt. Dunst und Nebel hatten sich aufgelöst, und über dem Asakusa-Distrikt
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