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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg
Autoren: Jörg Juretzka
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Quengeln noch seinen wöchentlichen Brief getippt und anschließend enorme Mühe gehabt, ihm eine Beteiligung an der Aktion auszureden. Der Gedanke an tausend Nutten elektrisierte ihn wie ein Zitteraal zwischen den Beinen. Doch ich blieb stur. Dies war keine Kegeltour.
    So waren wir zu sechst. Das sollte reichen, meinte Charly. Wir wollten schließlich nicht das ganze Viertel aufmischen und deshalb auch von Anfang an gar nicht erst den Eindruck erwecken. Nein, die Strategie des Tages hieß: leises und bescheidenes Auftreten. Schnell rein, schnell raus und keine langen Diskussionen.
    Ich saß am Steuer des schwarzen, mit einem Rammschutz bewehrten und von einem Diplomat-V8-Motor angetriebenen Commodore, voll Unmut, Groll und Hader. Am zweiten Tag tut ja alles noch mal so weh. Und nicht nur körperlich. Ah, die Schmach!
    My gang will get you, dachte ich grimmig.
    Hoho ballerte uns auf seiner Harley voran, und Schisser bildete die Nachhut. Wie immer. Vorne fahren darf er nicht. Seine Zweitakt-Yamaha entwickelt dermaßene Abgasschwaden, dass man Hinterherfahrende regelmäßig ihr Abblendlicht einschalten sehen kann.
    Doch er liebt seine 350er RD. Und sie passen zusammen. Beide sind sie höchstens mittelgroß, unruhig bis an die Grenzen der Nervosität, extrem schnell hochdrehend mit explosiver Leistungsentfaltung, beide sind sehr durstig, beide starke Raucher. Beiden gemein ist auch, dass man sie auf den ersten Blick oft unterschätzt. Die RD mit ihren schmalen Reifen und ihrem unschuldig dreinblickenden Rundscheinwerfer, und Schisser mit seiner schmächtigen Gestalt und diesen großen, blassen Kinderaugen. Man muss sie kennen, um die Muskeln unter dem ranken Hemd zu erspähen und um zu wissen, wie ausgesprochen gemein sie zubeißen können, die beiden.
    Das Wetter war grau, feucht, ziemlich kalt, schmuddelig. Weihnachtlich halt. Genauso die Stimmung im Wagen: mies, wortkarg, verkatert, abwartend, mit einer unausgesprochenen >Hoffentlich ist die Scheiße bald vorbei<-Stimmung unterlegt.
    Charly hing gelangweilt im Beifahrersitz, die Augen halb geschlossen. Der hagere, rotgesichtige Poppel und der vierschrötige, aufgedunsene D.O. hockten auf der Rückbank.
    Wir alle rauchten, und die drei warfen in regelmäßigen Abständen >Rote< ein.
    Es war immer ein komisches Gefühl, D.O. oder Poppel hinter sich sitzen zu haben, übellaunige, unberechenbare Arschlöcher, die sie sind. Ich habe Charly mal gefragt, warum er sie überhaupt in der Gang duldete, wo sie doch alle Welt in einem Zustand nervöser Wachsamkeit zu halten schienen, und er hatte zurückgefragt: »Wen hättest du lieber an deiner Seite, wenn es ernst wird? Scuzzi vielleicht? Oder Willy?«
    Gut gegeben. Scuzzi war sicher sympathisch, verlässlich und loyal, doch andererseits die meiste Zeit des Tages zu abgepumpt, um erfolgreich einem in seine Richtung gepusteten Luftballon ausweichen zu können, und Willy ... Willy war Willy. Eben. Schlaksig und ohne Arg. Harmlos und verspielt. Ein Welpe, ein Hündchen unter Straßenkötern.
    Und das war das. Ohne Typen wie Poppel und D.O. ging es nicht. Sie waren die Rammböcke des Clubs. Entsprechend ihre Haltung, jetzt: Ein Stormfucker hatte Dresche gekriegt, dafür musste es eine entsprechende Antwort geben. Soweit war die Angelegenheit klar, man hatte schließlich einen Ruf zu verteidigen. Doch dann war da noch diese Geschichte mit der Drogennutte, die die Dinge unnötig zu verkomplizieren drohte, und das dämpfte die allgemeine Begeisterung ein wenig.
    Ich würde rasch handeln müssen, sobald wir einmal da waren. Bevor die Jungs ihren Teil erledigt hatten und die Unterstützungsfront zu bröckeln begann. Rasch und entschlossen.
    Nur wie? fragte ich mich.
    Kurz vor A'dam zog Schisser noch mal mit uns gleichauf und zeigte auf seinen Tank, also steuerten wir die nächste Tankstelle an, ließen die Zapfpistole kreisen.
    Charly verteilte noch eine Lage >Rote<. Das sind kleine, weiße Pillen, Amphetamine mit erheblich über den >Augen auf<-Effekt hinausgehenden, schädlichen Nebenwirkungen. Nicht unbedingt für den Konsumenten schädlich, sollte ich vielleicht dabei sagen. Wir nennen sie >Rote<, weil sie einem einen blutroten, wutroten Schleier vor die Augen legen, vor allem in Verbindung mit Alkohol. Sie sind die Stormfucker'sche Kriegsdroge. Charly hielt mir die Schachtel hin, doch ich lehnte ab. Sind absolut nichts für meinen Fahrstil, die Roten.
    Die Bruchbude mit der ausgebrannten ersten Etage wurde von zwei ebenfalls
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