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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg
Autoren: Jörg Juretzka
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leider: Kein Druck der Welt vermochte dieses Bild in den Glückwunschteil der WAZ zu pressen. Also haben sie es zum Vergrößern und Rahmen weggegeben und zu meinem Geburtstag an der Stirnseite des Esszimmers aufgehängt. Gott schütze sie, die guten Jungs. Sie sind so nett.)
    Das Feuer im Kamin war zu einem glühenden Haufen zusammengesunken. Gäste und Gastgeber waren zu schnarchenden Haufen zusammengesunken. Willy torkelte in unregelmäßigen Abständen durchs Bild, Scuzzi hatte es nach langem und hartnäckigem Ringen letztendlich drangegeben, geschüttelt von einem enormen Schluckauf eine letzte Platte auflegen zu wollen, und sich, als auch die >New< nicht wiederzubeleben waren, auf sein Zimmer verzogen. Mir war's, jetzt mal ehrlich, nur zu recht.
    Irgendjemand ist immer der letzte, auf jeder Party.
    Glas in der einen, Docht in der anderen Hand, die Eier auf Eis, hielt ich noch einen kleinen Plausch mit unserem Präsidenten. Wenn ich mich einmal in eine Idee verrannt habe, ist es schlimm mit mir.
    »Was willst du machen, wenn sie nicht will?«, fragte er und fuhr sich mit der Hand durch die blonden Locken. Ich zuckte die Achseln.
    »Improvisieren.«
    »Wir können sie gegen den Willen der beiden Chinesen da rausholen, keine Frage. Aber nicht gegen ihren eigenen.«
    Seine ach-so-blauen Augen blickten ernst und blutunterlaufen.
    »Das Problem ist, sie weiß ja schon gar nicht mehr, was ihr eigener Wille ist.«
    »Erklär das mal 'nem Richter, Kristof. Vergiss nicht, du bist auf Bewährung draußen.«
    »Ja«, sagte ich, leicht genervt. Eine Reststrafe von 14 Monaten ist nichts, was man einfach so vergisst. Bis die Frist verstrichen ist, kannst du dir keinen Joint mehr anstecken, keinen wackeligen Scheck unterschreiben, ja nicht mal mehr bei Rot über die Straße gehen, ohne dass in deinem Hinterstübchen ein Gong ertönt und eine mit viel Hall unterlegte, tiefe Stimme >14 Monate< raunt. »Trotzdem.«
    Jetzt war es an Charly, die Achseln zu zucken. »Wie du willst«, sagte er. »Ich bin dabei.«
    Wir stießen an. Das gern um diese Stunde aufkommende, warme Gefühl von Freundschaft, Nähe, Brüderlichkeit durchströmte uns. »Wann willst du hinfahren?«, fragte er und nahm einen Schluck.
    »Noch heute.« Und ich musste ihm ordentlich auf den Rücken hauen, bis er wieder halbwegs bei Atem war. »Ich habe mir einmal vorgenommen, sie Weihnachten nach Hause zu bringen, und du weißt ja, wie das ist mit mir.«
    »Ja«, nickte er, immer noch hustend. »Schlimm.«
     
    Mülheim a. d. Ruhr, 25.12.84
    Liebe Dagmar!
    Ehrlich, Sie haben etwas verpasst. Es war so eine fröhliche Party! Das Spanferkel war köstlich, unsere Bowle wie immer ein voller Erfolg. Äußerst anregend, wurde mir von den Gästen wieder und wieder versichert. Das Feuer im Kamin der Empfangshalle brannte die ganze Nacht. Die Band hatte (jetzt kann ich's ja sagen) extra für Sie eine Melodie eingeübt (Sie ahnen sicher, welche) und jedes Mal, wenn die Türglocke ging, angestimmt, was einiges an Erklärungen bei den verblüfften Gästen nötig machte. Wir alle hätten Verständnis für Ihre Abwesenheit gehabt, wenn Sie Dienst gehabt hätten, doch Ihr Kollege war dran (ich hatte selbstverständlich eingeschaltet), und so waren die meisten, fürchte ich, ein bisschen enttäuscht. Trotzdem war es schön. Beinahe feierlich. Leider ist der Baum schon vor dem Abendessen mitsamt dem liebevollen Schmuck ein Raub der Flammen geworden, und auch ich selber wurde später am Abend im Laufe eines Gesellschaftsspieles Opfer eines kleineren Unfalls (bin bei Reise nach Jerusalem< unglücklich ausgerutscht und habe mir ein wenig den Kopf angeschlagen), so dass mich heute Morgen doch leichte Kopfschmerzen plagen, und auch meine Hände scheinen etwas zittrig zu sein. Ein Glück, dass ich nicht mit der Hand schreibe.
    Doch jetzt kommt eine gute Nachricht! Wir planen eine große Sylvesterfete! Wir wollen die Heizung voll aufdrehen, die Halle voll Sand kippen und eine Strandparty veranstalten. Mitten im Winter! Hätten Sie da nicht Lust, mitzumachen? Die Kleidung sollte sommerlichluftig und möglichst zwanglos sein. Wir suchen noch eine Reggae-Band, und ich werde wahrscheinlich selber das Mixen der Drinks übernehmen. Alle mit Rum! Das wird sicher toll. Packen Sie Ihre Badesachen ein und kommen Sie her! Sie werden es nicht bereuen.
    In Verehrung,
    Ihr W. Heckhoff
     
    Es war Nachmittag geworden, bis alle wieder geradeaus kucken und wir losfahren konnten.
    Ich hatte Willy nach langem
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