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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Autoren: Robert Merle
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aus dem Zimmer war, um diesen Kuß zu wagen, von dem ich mehr als einmal geträumt hatte. Danach fühlte ich mich sehr verwegen und mit der Wirkung höchst zufrieden. Sicherlich hatte ich mir bis dahin vorgestellt, daß Frauen zum Schmusen geschaffen seien, aber doch nicht, daß sie dadurch in Verwirrung geraten könnten. Ich meine erwachsene Frauen. Meine kleinen abendlichen Spiele mit Friederike hatten nach meinem Empfinden nichts mit dem zu tun, was soeben geschehen war.
    Madame de Guise erfuhr natürlich von Friederikes Kneifereien und von dem Mademoiselle de Saint-Hubert geraubten Kuß, und das trug meinem Vater eine Auseinandersetzung ein, derer ich mich erinnere, als wäre es gestern gewesen.
    Ich spielte am Fußboden mit einer Armee von Bleisoldaten, die mir Monsieur de la Surie auf Anregung von Monsieur Martial geschenkt hatte. Und ich muß wahrheitshalber sagen, daß Monsieur Martial selbst gerne damit spielte unter dem Vorwand, mich die Kunst der Befestigungen zu lehren.
    Ich hatte meine Truppen außerhalb des Durchgangs der Kammerfrauen in einem kleinen Raum aufgestellt, der an unseren großen Saal grenzte, und meine Soldaten auf zwei gegnerische Lager gleicher Stärke verteilt. Das eine wurde von mir befehligt, das andere hatte sich folglich zu verteidigen. Und ichfragte mich gerade, wie mein durch Monsieur Martials Erfahrung geschultes militärisches Talent den Sieg herbeiführen sollte, als ich durch die angelehnte Tür Madame de Guise hörte, die mit erregten Worten über mich und Friederike sprach. Ich war sehr beunruhigt und verschob den geplanten Angriff meiner Kavallerie auf später.
    »Monsieur«, sagte sie, »Ihr solltet Friederike nicht mehr in Pierres Kammer schlafen lassen.«
    »Was soll das?« fragte mein Vater in abweisendem Ton. »Was ist Schlimmes dabei?«
    »Aber, sie kneift ihn!«
    »Weil sie eifersüchtig ist. Wer wäre das nicht? Ich kenne eine hohe und mächtige Dame, die einmal glaubte, daß ich untreu sei, und mir wer weiß wie viele Salben- und Cremetöpfchen an den Kopf warf, die ich so gut es ging mit einem Schemel abfing. Muß ich«, setzte er lachend hinzu, »Euch daran erinnern?«
    »Monsieur, ich rede ernsthaft.«
    »Und ich antworte Euch ebenso.«
    »Warum soll Euer Sohn unter der dummen Gans leiden?«
    »Er lernt aus ihrem Umgang.«
    »Schönes Lernen! Sie kneift ihn!«
    »Und er schlägt sie. Also hat er gelernt, Madame, daß man von Eurem liebenswerten Geschlecht nicht alles erdulden muß. Und es kann sein, daß ihm diese Erfahrung eines Tages hilft, sich nicht allzu sehr zu ergeben.«
    »Aber ein Junge und ein Mädchen im selben Bett! Ist das ehrbar? Pfui!«
    »Es gibt kein Beispiel, daß ein Sechsjähriger ein Kind gezeugt hätte.«
    »Ich rede von keinem Kind, sondern einfach von Ehrbarkeit.«
    »Ich sehe nicht, wodurch sie hier verletzt würde. Auch ich hatte in seinem Alter eine kleine Spielgefährtin. Ich hatte sie sehr lieb. Möge Gott verhüten, daß ich Pierre der seinen beraube. Schließlich ist sie seine Milchschwester. Ich würde mich für sehr töricht, um nicht zu sagen unmenschlich halten, Madame, wenn ich ein so starkes Band zerreißen würde.«
    »Langsam, langsam, Monsieur! Wenn Ihr ihn so jung anfangen laßt, macht Ihr Euren Sohn zu einem großen Bock!«
    »Madame«, sagte mein Vater mit unterdrücktem Zorn, »fügt noch hinzu: wie sein Vater, und Ihr habt alles gesagt.«
    »Monsieur!« sagte Madame de Guise plötzlich mit tränenerstickter Stimme, »sprecht zu mir nicht wie ein Grobian. Das ertrage ich nicht.«
    Hierauf gab es ein so langes Schweigen, daß ich, von Neugier getrieben, auf den Knien bis zur Tür des großen Saales kroch und hindurchspähte. Mein Vater, der mir den Rücken kehrte, hielt Madame de Guise in den Armen. Woraus ich erstens schloß, daß Friederike in meiner Kammer bleiben dürfte, womit ich recht behielt, und zum anderen, daß der Streit beendet sei, worin ich mich täuschte, denn kaum war ich zum Schlachtfeld zurückgekrochen, wo meine Pferde vor Ungeduld stampften, als die Feindseligkeiten zwischen meinem Vater und meiner Patin von neuem losbrachen.
    »Trotzdem«, sagte diese, »wird Euer Sohn von seinen Ammen ein bißchen zu sehr vergöttert ...«
    »Das war so, Madame, ist es aber weniger, seit ich ihm Hofmeister gegeben habe.«
    »Hofmeister. Und eine Hofmeisterin.«
    »Habt Ihr etwas gegen sie einzuwenden?«
    »Soviel ich hörte, hat Pierre ihr, während sie Clavier spielte, den Arm geküßt.«
    »Das hätte ich in
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