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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Autoren: Robert Merle
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herrisch, sehr eingenommen von ihrem Rang, und sie konnte sich in ihren meist wenig gegründeten Ansichten unglaublich versteifen.
    Madame de Guise in ihren guten Stunden, das war wunderbar: sie konnte dann so zärtlich, so fröhlich und sogar ausgelassen sein, daß sie um die Hälfte jünger erschien. Doch verdüsterte sich der Sonnenschein zuweilen, und dann mußte man ihrer dunklen Seiten gewärtig sein, sei es daß sie in Melancholie verfiel, sei es daß sie ihrer Streitlust die Zügel schießen ließ.
    War mein Vater daheim, traf ihn die ganze Schwere ihrer Hypochondrie. In seiner Abwesenheit aber und nachdem ich das zehnte Lebensjahr vollendet hatte, mußte ich mich ihrer schwarzen Bataillone erwehren.
    »Ach, Söhnchen«, seufzte sie dann, kaum daß sie unsere Schwelle überschritten und ihre Maske abgenommen hatte, »seht mich bloß nicht an! Ich bin häßlich wie die Nacht. Wahrhaftig, ich darf heute in keinen Spiegel blicken, ich mache mir selber Angst! Habt Ihr jemals einen gräßlicheren Teint gesehen? Und es gibt keine Abhilfe. Ich mag fingerdick Rouge auflegen, es nützt nichts! Von meinen Augen ganz zu schweigen, das Weiße ist ganz gelb, die Iris trübe. Nein, nein, Söhnchen, seht mich nicht an, es würde Euch gruseln. Ach, es ist einmal so, ich bin zum Gespenst geworden! Ich brauche mich nur noch auf dem Jahrmarkt zu zeigen, die Maulaffen zu erschrecken! ...«
    Und wie die Herzogin zu diesen übertriebenen Reden dann gestikulierte und durch den großen Saal hin und her lief! Sie rang die Hände, bedeckte ihr Gesicht, und wollte ich mich ihr nähern, kehrte sie mir den Rücken. Diese Torheiten dauerten endlos, und es waren wer weiß wie viele Beteuerungen, Schwüre, Komplimente und Schmeicheleien nötig, bis das aufhörte. Da war es mir letztlich lieber, wenn sie zankte, obwohl ich schwerlich vergessen kann, was einmal über mich hereinbrach, nachdem ich zwölf geworden war.
    ***
    Meine Männlichkeit hatte sich offenbart, und sowie ich deren unzweifelhafte Zeichen nach den Belehrungen meines Vaters erkannt hatte, lief ich zu ihm, woraufhin er alles stehen- und liegenließ und mitkam, die Beweise in meinem Bett festzustellen.
    »Nun denn!« sagte er, indem er mich zugleich stolz und gerührt bei den Schultern faßte, »jetzt seid Ihr ein Mann, mein Sohn! Ich freue mich, aber ich fürchte, es wird Euch kaum gefallen, was daraus folgt. Denn nun muß ich handeln und augenblicklich ein Band zerschneiden, das Euch teuer ist. Mein Sohn, es tut mir für Euch leid, aber Friederike wird künftighin in Gretas Kammer schlafen.«
    »Mein Herr Vater!« schrie ich aus einem Gefühl, als sei ich jäh verwitwet und von der grausamen Neuigkeit ganz erschlagen, »muß das sein? Soll ich meine geliebte Schwester verlieren?«
    »Papperlapapp! Friederike ist nur insofern Eure Schwester, als Ihr dieselbe Milch getrunken habt. Das ist, Gott sei Dank, kein Blutsband. Wie hätte ich sonst die Augen zugedrückt angesichts eurer Spielchen (ich errötete bei diesen Worten), die meines Erachtens das Gestammel eines Kindleins waren, das sich im Sprechen übt, aber, wahr und wahrhaftig, mein Sohn, jetzt
sprecht
Ihr! Die Sache bleibt nicht mehr folgenlos. Wollt Ihr sie schwängern? Abgesehen davon, daß es für einen Edelmann unschicklich wäre, mit zwölf Jahren einen Bastard zu zeugen, laßt mich als Mediziner zu Euch sprechen: das arme Kind ist zu jung, um eine Mutterschaft durchzuhalten. Ihre Knochen sind noch nicht ausgewachsen. Sie ist sehr schmal. Ihre Brüstchen knospen erst. Wirklich, ich müßte um ihr Leben fürchten, wenn das passierte ...«
    Hierauf gab es nichts zu erwidern. Ich schickte mich drein. Aber in den folgenden Tagen wurde ich mürrisch und mißlaunig, selber nun gewissermaßen am Rande der Melancholie, verlor den Appetit bei Tische und ein wenig sogar beim Lernen, zumal Friederike mir nicht nur nachts fehlte, sondern ich sie auch am Tage nie mehr von Angesicht zu Angesicht sah; immer standen Greta oder Mariette oder eine unserer Kammerfrauen als Dritte zwischen uns. Und überdies war sie verändert, man hatte sie aufgeklärt: sie floh meine Liebkosungen. Es sah alles aus, wie wenn die Natur, indem sie mich zum Manne machte, mich um mehr beraubte, als sie mir beschert hatte.
    So verstrich ein Monat, ich hatte zu nichts Lust und sah auch für die Zukunft nichts, was mich hätte verlocken können; da trat eines Nachmittags, als ich meinen Kummer zu zerstreuen suchte, indem ich Suetons
De Vita Caesarum
las, ein
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