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Der werfe den ersten Stein

Der werfe den ersten Stein

Titel: Der werfe den ersten Stein
Autoren: Kanger
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worden, wenn die Verhältnisse der Familie bekannt geworden wären, sondern auch Benjaminsson. Wenn er Alarm geschlagen hätte, als Mikael um Hilfe bat, wie hätte er dann erklären sollen, dass er vier Jahre lang die sexuellen Übergriffe auf Stina verschwiegen hatte? Inez Wigren, Bertil Adolfssons Kusine, hätte ihn entlarven können, wenn Bertil vor Gericht gestellt worden wäre. Benjaminsson hatte die ganze Zeit von dem Terror in der Familie gewusst, ohne einen Finger zu rühren.
    Simon Benjaminsson hatte überlebt. Das rechte Auge hatte man entfernen müssen.
    Vielleicht lernt er jetzt zu sehen, dachte Elina.
    Sie hörte ein leichtes Klopfen an der Tür. Es war Henrik Svalberg.
    »Na also«, sagte er zufrieden, »das ist erledigt.«
    Elina wippte mit ihrem Bürostuhl.
    »Vielleicht«, sagte sie. »Aber ich bin mir da nicht so sicher.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Svalberg.
    »Wir wissen, was passiert ist, aber wir wissen es trotzdem nicht mit letzter Sicherheit. Mikael hat offen erzählt. Alle glauben ihm. Ich auch, bestimmt. Er ist der Mörder, kein Zweifel. Aber ich würde nicht auf die Bibel schwören, dass Peter nicht auch irgendwie beteiligt war.«
    »Warum glaubst du das? Es gibt doch absolut nichts, was darauf hindeutet.«
    »Nein, das nicht«, sagte Elina. »Aber ich frage mich trotzdem. Jönsson würde das wohl wieder weibliche Intuition nennen. Wir können auch nicht ganz sicher sein, ob Mikael nicht doch irgendwie an der Brandstiftung im Bürgerhaus beteiligt war. Und dem Gemeindehaus. Er könnte, jedenfalls zeitlich gesehen, derjenige gewesen sein, der das Gemeindehaus angesteckt hat. Keiner der Brandstiftungsfälle ist aufgeklärt. Werden sie wohl auch nie, jedenfalls nicht das Feuer im Bürgerhaus. Der Staatsanwalt hat sich definitiv dagegen entschieden, eine Voruntersuchung gegen Peter zu eröffnen.«
    »Er will seinen Fehler nicht zugeben«, sagte Svalberg.
    »Besser ist unser Rechtswesen nicht, Henrik. Man muss sich fragen, ob das alles überhaupt passiert wäre, wenn die Behörden nicht einfach nur ihrem routinemäßigen Schlendrian gefolgt wären. Stell dir vor, das Sozialamt hätte einen Schritt weiter gedacht und auf Mikaels ersten Hilferuf reagiert. Rede ich jetzt wie eine zynische alte Frau?«
    »Ja. Fast. Und ich bin ein zynischer alter Mann.«
    Elina lachte nicht. Sie sah Svalberg an.
    »Mikael hat seinen Hass auf die richtige Person gerichtet«, sagte sie. »Damit sage ich nicht, dass ich es für richtig halte, dass er den Vater erschlagen hat. Aber er richtete ihn gegen seinen Quälgeist. Vielleicht findet er sich doch noch im Erwachsenenleben zurecht, wenn er im Gefängnis die richtige Hilfe bekommt. Peter hat den Hass nach innen gegen sich selbst gerichtet und dann wahrscheinlich nach außen gegen alles und alle, um seinen Schmerz zu betäuben. Er ist frei und dennoch sein eigener Gefangener. Das Problem der beiden ist, dass sich niemand um sie gekümmert hat. Erst als es zu spät war.«
    Henrik Svalberg nickte, sah auf die Uhr und stand auf.
    »8-Uhr-Besprechung«, sagte er. »Kommst du?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich hab noch etwas zu erledigen.«
     
    Elina folgte Svalberg hinaus in den Korridor, ging jedoch in die andere Richtung, die Treppen hinunter und zum Parkplatz. Sie setzte sich in ihr Auto und fuhr zur E 18. Zwanzig Minuten später parkte sie vor einem einstöckigen gelben Haus mit Mansardendach. Sie stieg aus dem Auto und betrat den Garten. Eine Frau mit langen dunklen Haaren stand auf dem Balkon und sah sie an.
    »Ist Ihr Mann zu Hause?«, fragte Elina.
    Die Frau drehte sich wortlos um und verschwand im Haus. Gleich darauf wurde unten die Tür von Ismail Mehmedović geöffnet.
    »Darf ich hereinkommen?«, bat Elina.
    Mehmedović trat einen Schritt beiseite und ließ sie eintreten. Er ging in die Küche und stellte den Herd an. Er streckte sich und nahm zwei Kaffeetassen aus dem obersten Fach eines Schrankes.
    Sie saßen sich gegenüber, ohne ein Wort zu sagen.
    »Vielleicht war es Peter«, sagte Elina schließlich. »Ich weiß es nicht. Aber Sie waren es nicht.«
    Ismail Mehmedović nahm drei Stückchen Zucker in seinen Kaffee.
    »Für mein Restaurant ist Konkurs angemeldet«, sagte er. »Mein Rechtsanwalt sagt, ich bekomme ungefähr 1000000 Kronen Entschädigung, weil ich im Gefängnis gesessen habe. Die Schulden durch den Konkurs werden erheblich höher sein. Ich werde alles verlieren. Das geschieht zum zweiten Mal in meinem Leben.«
    »Was werden Sie tun?«,
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