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Der weisse Neger Wumbaba

Der weisse Neger Wumbaba

Titel: Der weisse Neger Wumbaba
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
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tapferer auf den Weg!‹ Das Smeleje wputj war also die ›Leberwurscht‹.«
    Vielleicht macht Herrn K. (dem mit dem stavierenden Lulle) auch die Post von Frau K. aus Rosenheim Hoffnung, die mir schrieb: »Bei einem Spaziergang vor einigen Wochen sahen mein Mann und ich einige Kaltblüter, sog.
    ›Brauereipferde‹, auf einer Weide, und mein Mann sagte:
    ›Schau dir das an! Da kann man sich so richtig vorstellen, wie die Soldaten auf den Rössern in die Schlacht gezogen sind!‹ Daraufhin hatte ich ein Aha-Erlebnis der Super-lative: Ich komme aus Hamburg, und dort sagt man zum Metzger ›Schlachter‹. So war ich seit nunmehr 42 Jahren davon ausgegangen (ohne jedoch ernsthaft darüber nachzu-denken), dass es sich bei ›Schlachtrössern‹ um Pferde handelt, die wegen ihres Alters oder sonstwie für den Schlachter bestimmt sind!«
    42 Jahre – so lange Zeit! Sagen wir es mit einem Satz, der 31
    einst über einem Schulaufsatz der heute 92 Jahre alten Tante von Leserin B. stand (auch er natürlich Ergebnis eines Missverständnisses): »Steht der Tropfen, höhlt der Stein.«
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    Komma Jesus, sei unser Gast:
    Der Verhörer in der Literatur

    In Walter Benjamins Berliner Kindheit um Neunzehn-hundert kommt die Muhme Rehlen vor, von der Benjamin als Kind in einem alten Vers hörte: »Ich will dir was erzählen von der Muhme Rehlen.« Aber das Wort
    »Muhme« sagte dem kleinen Benjamin gar nichts, er
    verstand »Mummerehlen«, ein Geschöpf, das für ihn zu einer Art Geist wurde, eine Geistin, die er an verschie-densten Stellen aufspürte. »Gelegentlich vermutete ich sie im Affen, welcher auf dem Tellergrunde im Dunst von Graupen und Sago schwamm. Ich aß die Suppe, um ihr Bild zu klären. Im Mummelsee war sie vielleicht zu Haus und seine trägen Wasser lagen ihr wie eine graue Pelerine an. Was man von ihr erzählt hat – oder mir wohl nur erzählen wollte –, weiß ich nicht. Sie war das Stumme, Lockere, Flockige, das gleich dem Schneegestöber in den kleinen Glaskugeln sich im Kern der Dinge wölkt…«
    Wie langweilig wäre es gewesen, hätte Benjamin den Text einfach richtig verstanden – seine Kindheit wäre um einige Bilder und Vorstellungen ärmer gewesen, und seinem Buch hätten auch einige schöne Zeilen gefehlt. So ist das, wenn die Welt größer ist als das eigene Wissen – da muss die Phantasie die Lücke füllen.
    Auf ganz andere Art und Weise tritt uns dieses Problem in Thomas Manns Zauberberg entgegen, in der Person der Frau Stöhr nämlich, die trotz einer geradezu namenlosen 34
    Unbildung nie vor dem Gebrauch der allerlateinischsten Fremdwörter zurückschreckt, Wörter, die sie zwar gehört, aber nie verstanden hat und nun durch eigene Wortbildungen ersetzen muss. Der »Turnus« kehrt bei ihr als
    »Tournee« wieder, und, so Mann, »was Frau Stöhrs große Unbildung aus dem ›dulci jubilo‹ machte, war ganz
    außerordentlich; das erste Wort entlehnte sie dem
    italienisch-musikalischen Vokabular ihres Gatten und sprach also von ›dolce‹, das zweite erinnerte an Feuerjo, Jubeljahr oder Gott weiß woran, – die Vettern schnappten gleichzeitig nach den Strohhalmen in ihren Gläsern, doch das focht die Stöhr nicht an.«
    Frau W. aus Cuxhaven schickte mir dann noch die Kopie einer Seite aus den Buddenbrooks, wo man den Konsul selbst mit den Sätzen vernimmt: »Ach ja, diese Dänen! Ich erinnere mich lebhaft, wie ich mich schon als kleiner Junge beständig über einen Gesangvers ärgerte, der anfing: ›Gib mir, gib allen denen, die sich von Herzen sehnen…‹, wobei ich ›Denen‹ im Geiste immer mit ›ä‹ schrieb und nicht begriff, daß der Herrgott auch den Dänen irgend etwas geben sollte…«
    Es ist ja so: Wer diesem Thema verfallen ist, der entdeckt es plötzlich überall, in jedem Buch, das er liest. An jeder Ecke.
    Herr B. aus Leipzig las Marion Gräfin Dönhoffs Kindheit in Ostpreußen und fand eines der aberwitzigsten Missverständnisse überhaupt: Jahrelang blieb der kleinen Marion der Text des täglichen Tischgebets Komm, Herr Jesus, sei unser Gast rätselhaft, weil er als einziger Text, den sie kannte, mit einem Satzzeichen begann: »Komma Jesus, sei 35
    unser Gast.«
    Leserin B. aus Sulzbach an der Donau las Generation Z, ein Buch des Spiegel-Redakteurs Reinhard Mohr, und fand darin den Satz: »Da wird die Erinnerung tatsächlich zu einer Art Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann, und es reicht schon, wenn Patti Smith' Song Peak of the Night im Autoradio
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