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Der weisse Neger Wumbaba

Der weisse Neger Wumbaba

Titel: Der weisse Neger Wumbaba
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
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läuft, um für ein paar Minuten an die geheimnisvollen Orte der Vergangenheit zurück-zukehren.«
    Das Hübsche daran ist, dass Patti Smith Lied nicht Peak of the Night sondern Because the night heißt, dass aber gerade dadurch dieser Satz besonders stimmt, denn das Nichtverstehen der Welt und ihrer Lieder macht doch ein gut Teil von deren Geheimnis aus, und wenn es etwas Paradiesisches an diesem Erdendasein gibt, dann ist es eben der Versuch unserer Phantasie, sich auf all dies Magisch-Rätselhafte einen Reim zu machen.
    Und Cony Z. schreibt in einer e-mail: »In der Zeit habe ich gelesen, dass der Begründer von Lonely Planet, immerhin einer der weltbekannten Reiseführerreihen, sich bei einem Joe Cocker-Liedtext verhört hat: Statt Lovely Planet hat er Lonely Planet gehört. Voilà – eine als recher-cheintensive und als rechercherichtig anerkannte Reihe wurde nach einem simplen Verhörer benannt.« Lovely Planet klänge auch fast ein bisschen zu süßlich für einen Reiseführer, oder?
    Dem weißen Neger Wumbaba an lebensvoller Originali-tät ebenbürtig ist zweifellos der Erdbeerschorsch, dem in der Galerie der Phantasiepersonen ein Ehrenplatz gebührt.
    Er kommt in einem Nürnberger Witz vor, den Eckhard 36
    Henscheid in der von ihm mitherausgegebenen Kulturgeschichte der Mißverständnisse erzählt:
    »Die Kleine kommt aus der Schule nach Hause: ›Mama, wir müssen uns morgen schön anziehn, weil der Erdbeerschorsch kommt, und der will uns alle filmen!‹ Die Mama ruft bei der Lehrerin an, was es damit auf sich habe. ›Ach‹, sagte die Lehrerin, ›das hat ihre Kleine falsch verstanden: Der Erzbischof kommt und tut alle firmen!‹«
    Die von Henscheid sowie Brigitte Kronauer und Gerhard Henschel herausgegebene Kulturgeschichte ist übrigens ein in jeder Hinsicht empfehlenswertes Buch – was aber unser Thema angeht, besonders wegen Henscheids Kapitel über Hör- und Lesefehler. Darin fehlt der Hinweis auf Johann Heinrich Voss den Älteren (der Homer so verfallen war, dass Lichtenberg über ihn schrieb, er sage immer »Aga-memnon« statt »angenommen«) so wenig wie der auf jenen Nürnberger Bürger, der statt »Autobahnausfahrt Frauen-aurach« immer »Autobahnausfahrt Frauenarsch« las.
    Da sind wir nun schon sehr nah bei Freud, in dessen Psychopathologie des Alltagslebens zwar jede nur denk-bare Fehlleistung vorkommt, vom Vergessen zum Verlieren über das Verlegen zum Verlesen und Verschreiben sowie Verdrucken. Aber das Verhören? Nichts gefunden.

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    Dabei kann doch auch der Verhörer so tief hinab ins Sexuelle reichen, dass es jedem Analytiker eine wahre Freude sein muss, nehmen wir nur die Zuschrift von Herrn Z. aus Oberasbach mit einer Erinnerung an Peter
    Alexander, der uns in den sechziger Jahren die deutsche Version von Tom Jones' Delilah nahe brachte, in der es eine Passage gab, die lautete:
    »… für uns zwei, Delilah!«
    Seine damals 14jährige Schwester, so Z., habe sich daraufhin über das Unmoralische dieses Textes entrüstet.
    Dass Alexander hier zu einem flotten Dreier auffordere!
    Sie hatte nämlich verstanden:
    »… für uns zwei die Leila…«
    Dazu gleich noch der Brief von Herrn M. aus Wachtberg-Ließem, der schrieb, er habe in Rudi Schurickes
    Florentinischen Nächten, wenn es hieß: »Ich sehe im Geiste die Schänke vor mir…« als Pubertierender immer gehört: »Ich sehe im Geiste die Schenkel vor mir…«
    Was wäre das, wenn nicht ein Freudscher Verhörer –
    wenn bloß Freud das Thema mal erwähnt hätte?!
    Noch eines zu diesem Thema: Herr S. hörte lange Zeit Peter Cornelius' Schlager Segel im Wind falsch. Im Original heißt es:
    »Du host die Kraft ana Löwin
    doch du treibst so wia a Segel im Wind.«
    Herr S. (nachzulesen – jedenfalls war es in den vergan-genen Jahren eine Weile dort zu finden – unter
    http://walruspage.progi-park.com), Herr S. also hörte aber: 39
    »Du host die Kraft ana Löwin,
    doch du treibstas wia a Seekönigin.«
    Für S. verband sich damit die Vorstellung von besonders sanftem Sex mit, nun ja, einer Seekönigin, was immer das genau sei – jedenfalls kein so übermächtiges, forderndes, Männer beängstigendes Frauenwesen wie die Löwin. Wie immer man das sehen mag: Die »Seekönigin« ist ungleich poetischer als das abgegriffene Bild von den »Segeln im Wind«. Und es bestärkt noch einmal meine These, dass die besseren Liedtexte in den Köpfen der Hörer entstehen und die Aufgabe des Texters darin besteht, die Phantasie des Publikums
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