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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück
Autoren: E.M. Remarque
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. Willy Hohmeyer berichtet, wie der Soldat Troßke mit zwei Kameraden in einem Maschinengewehrnest eine übermacht abgewehrt hatte:
    […] die drei waren ganz ruhig, sie zielten und warteten und schossen nicht zu früh, sie visierten genau auf Bauchhöhe […] Nachher konnten wir die holen, die das MG abgeknallt hatte, es waren allein siebenundzwanzig tadellose Bauchschüsse, einer ebenso exakt wie der andere, nämlich sämtlich tödlich, von den anderen Sachen, Beinschüssen, Hodenschüssen, Magenschüssen, Lungenschüssen, Kopfschüssen, ganz zu schweigen […] Dafür bekam der dann das EK I und eine Belobigung vom Obersten. (S. 252 )
    Ernst Birkholz führt den Gegenangriff gegen das »Satte, Zufriedene« eines Bürgertums, das die Kriegserfahrung und das Töten Unschuldiger aus dem Gedächtnis streichen möchte. Er klagt die richtende Seite an und gibt ihr die Schuld für Troßkes Tat:
    Ihr alle gehört vor unser Gericht! Ihr habt das mit eurem Krieg aus uns gemacht! […] Ihr habt euch um die Siege gestritten, ihr habt Kriegerdenkmäler eingeweiht, ihr habt vom Heldentum geredet und euch gedrückt vor der Verantwortung! […] […] immer wieder hättet ihr es uns sagen müssen: Wir haben alle furchtbar geirrt! […] Ihr habt uns vor die Hunde gehen lassen! Ihr hättet uns lehren müssen, wieder an Güte, Ordnung, Aufbau und Liebe zu glauben! Stattdessen habt ihr wieder angefangen, zu fälschen und zu hetzen und eure Paragrafen in Gang zu bringen […] (S. 252 f.)
    Kurt Tucholskys vielzitierte Anklage »Soldaten sind Mörder« wird in Remarques Roman am Beispiel des Troßke-Prozesses beredt illustriert, damals genauso gültig wie heute.
    Ernst Birkholz ist Lehrer geworden (wie Erich Maria Remarque 1919 / 20 ) und unterrichtet an einer Landschule. Er erträgt es nicht, dass alles so weitergeht, als wäre nichts gewesen. Schlimmer noch, Ludwig Breyer, in seinem letzten Gespräch mit Ernst kurz vor seinem Selbstmord, sieht voraus: Es wird nicht lange mehr dauern, und unsere Nachfolger auf den Schulbänken werden mit gierigen Augen den Erzählungen aus dem Kriege lauschen und sich aus der Langeweile der Schule heraus wünschen, auch dabei gewesen zu sein. Jetzt schon laufen sie zu den Freikorps – und kaum siebzehnjährig begehen sie politische Morde. (S. 230 )
    Der Roman spielt 1918 / 19 , niedergeschrieben wurde er 1930 / 31 . Remarque legt den Finger auf die offene Wunde der Weimarer Verdrängungsideologie und der Verfälschung des schmählichen Scheiterns der für den Krieg Verantwortlichen in eine ›Dolchstoßlegende‹ und der Anfachung eines neuen Nationalismus mit RevanChefantasien, die leider keine Fantasien bleiben sollten.
    Der nationale Rachegedanke hat Tradition im deutschen Literatur-und Kulturverständnis. Zitiert sei, stellvertretend für viele, Heinrich von Kleist, der seinen Hermann/Arminius in Die Hermannsschlacht ( 1808 ) sagen lässt: »Hass ist mein Amt und meine Tugend Rache.« Und das ist immer noch deutsches Bildungsgut, übrigens in tadelloser Verssprache.
    Als Schulmeister eines Staates, der die Schuldanerkenntnis »wir haben uns alle furchtbar geirrt!« verweigert, verzweifelt Ernst Birkholz (wie sein Schöpfer und zeitweiliger Schulmeister Remarque) vor seiner Aufgabe. über die Vierzehnjährigen der Oberklasse seiner Landschule sagt er:
    Wenn sie in ihren Bänken vor mir sitzen, sind sie nicht echt; sie haben entweder etwas von Duckmäusern und Strebern oder von Heuchlern und Rebellen an sich. Sieben Jahre Unterricht haben es fertiggebracht, sie dazu zu erziehen. (S. 183 )
    Und vor den »Kleinen«, die mit »gefalteten Händen« dasitzen, die ihn so »vertrauensvoll und gläubig« ansehen, spürt er plötzlich »wie einen Schlag aufs Herz«:
    Hier stehe ich vor euch, einer der hunderttausend Bankrotteure, denen der Krieg jeden Glauben und fast alle Kraft zerschlug […]
Was soll ich euch denn lehren? Soll ich euch sagen, dass ihr in zwanzig Jahren ausgetrocknet und verkrüppelt seid, verkümmert in euren freisten Trieben und unbarmherzig zur Dutzendware gepresst? Soll ich euch erzählen, dass alle Bildung, alle Kultur und Wissenschaft nichts ist als grauenhafter Hohn, so lange sich Menschen noch mit Gas, Eisen, Pulver und Feuer im Namen Gottes und der Menschlichkeit bekriegen? (S. 196 f.)
    Zwanzig Jahre nach 1919 entfesselt Hitler den Krieg der Deutschen gegen die europäischen Nachbarn, und die in ihrem Denken und Fühlen »verkümmerte« und »verkrüppelte« Jugend lässt sich als
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