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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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vertrauter geworden. Wir sind richtige Freundinnen. Ich weiß gar nicht, wie ich diese schrecklichen Jahre ohne sie überstanden hätte, Gilbert.«
    Ja, genau das hat Mutter gesagt! Und ich bin darüber glücklieh - und traurig - und stolz - und verlegen! Es tut mir gut, dass Mutter so über mich denkt, aber ich verdiene es eigentlich nicht. So gut und stark bin ich gar nicht. So oft war ich mürrisch und ungeduldig, betrübt und verzweifelt. Mutter und Susan sind es, die dieser Familie den Rücken gestärkt haben. Aber ich bin, glaube ich, eine kleine Hilfe gewesen, und darüber bin ich froh und dankbar.
    Die Kriegsmeldungen sind zurzeit gut. Die Franzosen und Amerikaner drängen die Deutschen immer weiter zurück. Manchmal fürchte ich fast, die Meldungen sind zu gut - nach fast vier Jahren voller Katastrophen kann man so einen fortdauernden Erfolg kaum glauben.
    Aber wir hauen nicht vor Freude über die Stränge. Susan lässt die Fahne flattern, aber sonst halten wir uns zurück. Der Preis, den wir bezahlen mussten, war zu hoch, um zu jubeln. Wir sind bloß dankbar, dass wir ihn nicht umsonst bezahlt haben.
    Von Jem haben wir nichts gehört. Wir hoffen einfach, weil wir nicht wagen etwas anderes zu tun. Aber es gibt Zeiten, da haben wir alle das Gefühl - auch wenn wir es nicht sagen -, dass diese Hoffnung unsinnig ist. Mit den Wochen geht uns das immer häufiger so. Dabei werden wir vielleicht niemals die Wahrheit erfahren. Das ist das Schlimmste überhaupt. Ich frage mich, wie Faith damit zurechtkommt. Aus ihren Briefen zu schließen, hat sie nicht einen Augenblick die Hoffnung aufgegeben, aber auch sie muss oft mit Zweifeln gekämpft haben, so wie wir auch.
     
    20. August 1918
    Die Kanadier waren wieder in Aktion, und Mr Meredith hat heute ein Telegramm bekommen, in dem steht, dass Carl leicht verwundet worden ist und im Lazarett liegt. Allerdings steht darin nichts über die Art seiner Verwundung, was ungewöhnlich ist, und jetzt machen wir uns ziemliche Sorgen. Fast jeden Tag kommen jetzt Meldungen über neue Siege.
     
    30. August 1918
    Die Merediths haben heute einen Brief von Carl bekommen. Er hat nur »eine leichte Verletzung«, aber sie betrifft sein rechtes Auge: Er wird nie wieder damit sehen können!
    »Mit einem Auge kann man auch Käfer beobachten, schreibt Carl heiter. Stimmt, es hätte um so vieles schlimmer kommen können! Nicht auszudenken, wenn es beide Augen erwischt hätte! Trotzdem musste ich den ganzen Tag weinen, nachdem ich Carls Brief gelesen hatte. Er mit seinen furchtlosen, schönen blauen Augen!
    Einen Trost gibt es immerhin. Er muss nicht wieder an die Front zurück. Er kommt nach Hause, sobald er aus dem Lazarett entlassen wird, als Erster von unseren Jungen. Wann werden die anderen kommen?
    Und einer davon wird niemals mehr kommen. Zumindest werden wir ihn nicht zu Gesicht bekommen. Aber vielleicht wird er doch da sein. Wenn unsere kanadischen Soldaten zurückkehren, werden sie begleitet sein von einer unsichtbaren Armee, der Armee der Gefallenen. Sehen werden wir sie nicht, aber sie werden da sein!
     
    1. September 1918
    Mutter und ich waren gestern in Charlottetown und haben uns den Kinofilm Herzen der Welt angesehen. Da habe ich mich schrecklich blamiert, Vater wird mich bis an mein Lebensende damit aufziehen. Aber es kam mir alles so furchtbar echt vor! Ich war so hingerissen, dass ich nur noch Augen hatte für den Film und alles um mich herum vergaß! Zum Ende hin wurde es unglaublich spannend. Die Heldin wehrte sich gegen einen schrecklichen deutschen Soldaten, der versuchte sie zu verschleppen. Ich wusste, dass sie ein Messer hatte - ich hatte gesehen, wie sie es versteckte, für den Notfall -, aber ich konnte überhaupt nicht verstehen, wieso sie es jetzt nicht hervorholte und diesem Wüstling ein Ende bereitete. Ich dachte, sie muss es vergessen haben, und als die Szene ihren Höhepunkt erreichte, da verlor ich den Kopf. Ich sprang auf - das Kino war voll besetzt - und schrie aus Leibeskräften: »Das Messer steckt in deinem Strumpf, das Messer steckt in deinem Strumpfl« Da habe ich vielleicht für Aufruhr gesorgt!
    Lustigerweise hat dann das Mädchen genau in dem Augenblick, als ich aufschrie, das Messer wirklich hervorgezogen und den Soldaten damit erdolcht!
    Alles musste lachen. Da kam ich wieder zu mir und fiel vor Schreck auf meinen Platz zurück. Was für eine Blamage! Mutter schüttelte sich vor Lachen. Am liebsten hätte ich sie geschüttelt! Sie hätte mich
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