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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer
Autoren: Gabriel Ferry
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übereinandergelegt trug, an die Tür des Alkalden von Elanchove kam eine alte Frau und öffnete.
    »Ach, Ihr seid es, Don Gregorio«, sagte die Alte mit jener spanischen Höflichkeit, mit der zwei sich begegnende Schuhputzer sich das »Don« der Granden erster Klasse erteilen.
    »Ja, ich bin es, Doña Nicolasa«, erwiderte Gregorio.
    »Jesus Maria! Euer Kommen erinnert mich, daß ich sehr saumselig gewesen bin ... Und mein Herr wartet auf seine Beinkleider. Nehmt Platz, Don Gregorio, es wird nicht lange dauern.«
    Das Zimmer, in das der Escribano geführt wurde, würde unermeßlich erschienen sein, wenn nicht in jeder Ecke Netze von verschiedener Größe, Mastbäume, Segelstangen, Segel in allen Formen – von viereckigen bis zum lateinischen –, Steuer von Booten, Ruder und wollene Hemden in bunter Unordnung aufgehäuft gelegen hätten. Aber dank diesem Chaos blieb kaum Platz genug übrig, um einen oder zwei Stühle um einen großen eichenen Tisch zu stellen, auf dem ein Schreibzeug aus Kork seine drei fest in ihre Löcher geklebten Federn emporstarren ließ, mitten unter einigen schmutzigen Papieren, die nur zur Prahlerei ausgelegt schienen vielleicht auch, um die Beschauer in Schrecken zu setzen. Es war beim Anblick dieses Kapernaums schwer, sich nicht so ziemlich eine Vorstellung zu machen von dem Geschäft, dem sich der Alkalde – abgesehen von seiner öffentlichen Stellung – widmete. Wirklich lieh er auf kurze Zeit gegen hohe Zinsen – bis zu einem Real für den Piaster, was ganz einfach monatlich zwanzig fürs Hundert oder jährlich zweihundertvierzig fürs Hundert beträgt –, und da seine Klienten nur aus Fischern bestanden, so war dies die Quelle jener Sammlung von nautischen Werkzeugen, die den Audienzsaal des Alkalden versperrten.
    Cayatinta warf nur einen zerstreuten Blick auf all diesen Trödelkram, unter dem sich kein einziger Pantalon befand; er war darum auch keiner bösen Versuchung ausgesetzt; denn wir müssen es nun gestehen: seine zweifelhafte Rechtschaffenheit würde vielleicht einer so furchtbaren Prüfung nicht widerstanden haben. Der Escribano war nicht von dem Teig, aus dem der rechtschaffene Mann gemacht ist. Die Natur, die immer vom Einfachen zum Zusammengesetzten übergeht, hatte nicht Zeit gehabt, aus ihm noch einen ordentlichen Spitzbuben zu machen; es ist wahr: Er stand in der Blüte seiner Jugend.
    Don Ramon ließ nicht auf sich warten; seine lustige und offenherzige Persönlichkeit erschien bald auf der Schwelle seines Schlafzimmers. Er war ein starkgebauter und kräftiger Mann, und man begriff leicht, daß aus einem Paar seiner Beinkleider zwei Pantalons für den mageren und schwächlichen Escribano gemacht werden konnten.
    »Hilf Himmel, Herr Alkalde«, sagte dieser, nachdem er eine Menge von Morgenbegrüßungen gegeben und empfangen hatte, »welche prachtvollen Beinkleider habt Ihr da an!«
    »Mein Freund Gregorio«, antwortete der Alkalde mit einem Gesicht voll guter Laune, »Ihr werdet langweilig mit Euren Wiederholungen. Zum Henker! Gibt es denn weiter nichts an meiner Person als meine Beinkleider, um die Ihr mich beneidet?«
    Cayatinta stieß einen Seufzer aus und antwortete mit der Miene eines gierigen Hundes, der nach einem Knochen lüstern ist: »Es würde ein Wunder nötig sein, um mir Eure persönlichen Vorzüge zu geben; aber Eure Beinkleider – das ist etwas anderes. Zwei Ellen Tuch von Segovia würden alles beseitigen.«
    »Geduld, Geduld, Herr Escribano! Ihr wißt, daß ich Euch zur Vergeltung der Dienste, die Ihr mir leisten wollt – ich sage nicht, der Dienste, die Ihr mir geleistet habt –, meine rotfarbigen Beinkleider versprochen habe, wenn sie nur erst ein wenig abgetragen sind. Ich denke daran; denkt Ihr daran, sie zu verdienen!«
    »Was muß ich dazu tun?« sagte der Escribano mit einer verzweifelten Miene. »Der Einsatz ist nicht gleich. Ihr wagt so wenig im Vergleich zu mir!«
    »Ei, mein Gott, man weiß nicht«, entgegnete der Alkalde; »es können solche Umstände eintreten, die Euch plötzlich das Übergewicht über mich geben.«
    »Ja, aber es können auf der anderen Seite auch Umstände eintreten, die mit einem Schlag Euren Beinkleidern den Wert nehmen!«
    »Doch wir werden ja sehen. Auf zum Geschäft«, sagte der Alkalde, um die Beschwerden Gregorios kurz abzuschneiden, »wir wollen den Expropriationsakt hinsichtlich des Bootes eines schlechten Zahlers, dieses Vicomte Perez, vornehmen, der nur unter dem Vorwand, sechs Kinder ernähren zu
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