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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer
Autoren: Gabriel Ferry
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ihn wie der Tiger auf seinen Raub. »Ich bin es«, sagte er. »Rührt Euch nicht, oder Ihr seid ein Kind des Todes!« fügte er hinzu, indem er den Lauf seiner Büchse auf die Brust des verdutzten Fremden setzte.
    »Wer bist du?« versetzte dieser, dessen wutfunkelnde Augen sich vor der drohenden Haltung seines Gegners nicht senkten.
    »Ei, wahrhaftig, Pepe! Ihr wißt ja: Pepe, der immer schläft!«
    »Schlimm für ihn, wenn er mich verraten hat!« sagte der Fremde, als ob er mit sich selbst spräche.
    »Wenn Ihr Don Lucas meint«, unterbrach ihn der Grenzjäger, »so kann ich Euch versichern, daß er dessen nicht fähig ist; und daß ich hier bin, davon liegt der Grund darin, daß er zu vorsichtig gewesen ist, Schmuggler.«
    »Schmuggler?« sagte der Unbekannte mit einer Gebärde höchster Verachtung.
    »Wenn ich Schmuggler sagte«, erwiderte Pepe, zufrieden mit seiner Schlauheit, »so geschah es, um Euch nicht Schlimmeres zu sagen, denn Ihr habt hier nicht eine Unze Kaufmannswaren. Es müßte denn sein«, fuhr er fort, indem er mit dem Fuß auf eine am Boden des Bootes zusammengerollte Strickleiter wies, »daß dies eine Probe sein sollte.«
    Stirn gegen Stirn mit dem Unbekannten konnte Pepe diesen nach Gefallen betrachten. Es war ein junger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Er hatte die sonnverbrannte Gesichtsfarbe des Seemanns. Dichte und dunkle Augenbrauen zeichneten sich kräftig auf einer knochigen und breiten Stirn ab. Große schwarze Augen, die mit düsterem Feuer tief in ihren Höhlen blitzten, verkündeten unversöhnliche Leidenschaften. Der Mund des Unbekannten war bogenförmig geschnitten und hatte einen geringschätzenden Ausdruck. Die Falten seiner Wangen waren trotz seiner Jugend stark markiert und gaben ihm bei der leichtesten Gemütsbewegung einen Ausdruck kalten Hohns, von Anmaßung und Verachtung. Aus seinen Augen, seinem Antlitz konnte man schließen, daß Ehrgeiz und Rachsucht die herrschenden Eigenschaften dieses Mannes sein mußten. Schwarze und lockige Haare mäßigten allein einigermaßen die Strenge seines Gesichts. Seine Kleidung war die eines Offiziers der spanischen Marine.
    Ein Blick, der jeden anderen als den Grenzjäger erschreckt haben würde, verriet die Ungeduld des Fremden, sich so von dem Küstenwächter betrachtet zu sehen.
    »Scherz beiseite, du Schelm – was willst du? Rede!« sagte der Fremde.
    »Plaudern wir von unseren Angelegenheiten«, sagte Pepe, »ich bin damit zufrieden. Zuerst also: Wenn Eure zwei Mann meinen Mantel und meine Laterne zurückbringen wollen, die zu nehmen sie gerade pfiffig genug sind, so werdet Ihr ihnen Befehl geben, nicht zu nahe zu kommen; auf diese Weise werden wir plaudern können, ohne unterbrochen zu werden; anderenfalls gebe ich mit einem Büchsenschuß, der Euch tot niederstreckt, das Lärmzeichen und stoße ab. Was sagt Ihr dazu? Nichts? Gut; diese Antwort ist so gut wie eine andere. Ich fahre also fort. Ihr habt meinem Capitan vierzig Unzen gegeben?« fragte der Soldat unverschämt genug und auf die Gefahr hin, die Summe tüchtig zu vergrößern.
    »Zwanzig!« sagte der Fremde ohne Zögern.
    »Ich hätte es lieber gesehen, wären es vierzig gewesen«, erwiderte Pepe; »doch man gibt eine solche Summe nicht für das Vergnügen, eine sentimentale Spazierfahrt auf der Ensenada zu machen. Mein Dazwischenkommen muß Euch belästigen; ich möchte mir wohl mein Fernbleiben bezahlen lassen.«
    »Wieviel?« fragte der Unbekannte, den es drängte, ein Ende zu machen.
    »Eine Kleinigkeit. Ihr habt vierzig Unzen dem Capitan gegeben ...«
    »Zwanzig, sage ich dir!«
    »Ich hätte lieber gesehen, es wären vierzig gewesen«, wiederholte Pepe; »aber meinetwegen zwanzig. Laßt sehen, ich will nicht unbescheiden sein; ich bin nur Soldat, er ist Capitan; ich werde also nicht unvernünftig sein, wenn ich das Doppelte von dem verlange, was er bekommen hat.«
    Der so geprellte Fremde stieß einen Fluch aus, antwortete aber nichts.
    »Ich weiß sehr wohl«, fuhr Pepe fort, »warum das wenig ist; denn wenn er eine dreifache Löhnung erhält, so hat er doch dreimal weniger Bedürfnisse als ich, und folglich würde ich ein Recht haben auf das Dreifache; aber – wie er sagt – die Zeiten sind hart, und so will ich denn bei meiner Forderung stehenbleiben.«
    Ein heftiger Kampf schien im Herzen des Unbekannten zwischen der Besorgnis und dem Zorn stattzufinden; von seiner Stirn rollten trotz der rauhen Jahreszeit die Schweißtropfen herab. Eine sehr
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