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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Autoren: Andrej Kurkow
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Gesichtsausdruck abrupt und wurde böse. „Jetzt aber Hände hoch, du Dreckskerl! Ich werde dich gleich in den Himmel befördern, dann wirst du wirklich ein Engel!“
    Der Reiter zog eine schwere Mauserpistole aus dem Gürtelholster, zielte und ließ sie dann zur Seite sinken, während er den Engel höhnisch ansah, um sich zu überzeugen, ob dieser auch wirklich erschrocken war.
    „Warum wollen Sie mich töten?“, fragte der Engel bestürzt.
    „Und warum trägst du eine Militäruniform mit abgerissenen Kragenspiegeln? Bist du selbst ein Deserteur oder hast du einen von uns umgebracht und sie ihm dann abgenommen? Na? Sag schon, aber schnell!“
    „Das Gewand hab ich in der Nacht getauscht“, antwortete der Wanderer. „Ein junger Bursche mit Locken hat mich inständig darum gebeten … Er gab mir noch einen Laib Brot dazu.“
    „Einer mit Locken?!“ Der Reiter mit dem Schnurrbart wurde plötzlich mürrisch wie ein Stein. „Gib mal dieses Brot her!“
    Der Engel reichte dem Reiter eine Scheibe davon. Der biss ab, kaute mit Appetit und sah mit zusammengekniffenen Augen in die Runde.
    „Sergunkow?“, fragte ein sommersprossiges Bürschchen auf einem kohlrabenschwarzen Pferd.
    „Ja …“, stieß der Schnurrbärtige hervor. „Dieser Feigling! Wo zum Teufel soll man ihn jetzt noch finden? Nein, Freundchen“, drehte sich der Reiter zum Engel um. „Genug geschwätzt! Sag dem Leben Ade! Du bist ja offensichtlich selbst ein Deserteur und hast einem Deserteur geholfen!“
    Und der bärtige Reiter richtete seine Mauserpistole wieder auf den Wanderer.
    „Sie können mich nicht töten“, sagte der Engel. „Es ist unmöglich mich zu töten …“
    „Jeden kann man töten“, presste der mit dem Schnurrbart kalt zwischen den Zähnen hervor.
    Und er drückte ab. Der Schuss donnerte los, der Engel jedoch streckte eine Hand aus und hielt die Kugel an. Sie erstarrte in der Luft, direkt vor der weißen Handfläche. Die Reiter starrten mit offenem Mund auf sie. Der Engel sah die Kugel an und sein Blick wurde kalt.
    „Wenn du schon in die Welt ausgebrochen bist“, sagte er mit dem Blick auf die Kugel gerichtet, „dann sollst du keinen Menschen retten, der einem anderen Böses wünscht, und wenn in diesem Land alle im Bösen vereint sind, dann sollen alle umkommen, und wenn nicht alle umkommen, dann werden nur die am Leben bleiben, die einander Gutes wünschen. Und wenn du genug hast vom Töten, dann bring einen Gerechten um, und er soll der Letzte sein, und du wirst in ihm bleiben.“
    Als er geendet hatte, ließ der Engel die Hand sinken, und die Kugel geriet wieder in Bewegung und schwebte über den Erdboden hinweg und flog durch Blätter und Baumstämme hindurch davon.
    Die verblüfften Reiter standen bewegungslos da, und sogar die Pferde schienen den Atem anzuhalten.
    Der Engel wandte sich um und machte sich mit hängendem Kopf in dieselbe Richtung auf den Weg, die er schon vor der Begegnung mit diesen Menschen eingeschlagen hatte. Er folgte der Kugel.
    Was vorgefallen war, ließ ihn Bitterkeit empfinden, und er bereute schon, dass er die Kugel, die ihm gegolten hatte, mit seiner Kraft dazu gebracht hatte, Gericht zu halten. Aber nun konnte er ihr nicht mehr Einhalt gebieten, ebenso wenig hätte er Wort für Wort wiederholen können, was er einmal gesagt hatte, oder zum zweiten Mal das durchleben, was er bereits einmal durchlebt hatte.

Kapitel 3
    Nachdem das Fuhrwerk das Dorf hinter sich gelassen hatte und sich zu beiden Seiten des Weges Kolchosfelder ausdehnten, drehte sich der Kutscher zu Pawel um, durchbohrte ihn mit einem kritischen Blick und fragte:
    „Bist du etwa der, der der Gerechteste wird?“
    Die Frage erstaunte Pawel, und er zuckte die Achseln.
    „Dann sagst du eben nichts, wenn du nicht magst“, sagte der alte Kutscher nach einem Augenblick, ohne die Antwort abzuwarten, und wandte sich wieder der Straße zu. „Wenn du es wirst, dann erfahre ich es sowieso. Der Ruhm eines Gerechten eilt in kürzester Zeit durch das ganze Land. Nenn mir wenigstens deinen Nachnamen, damit ich dann weiß, ob es der war, den ich gefahren habe, oder nicht.“
    „Dobrynin“, sagte Pawel leise.
    „Ein guter Name“, nickte der Kutscher, ohne sich umzudrehen. „Ein Name für einen Helden. Ich habe bei eurem Kolchosbrigadier übernachtet, er hat mir am Abend von dir erzählt. Ehrlich seist du, bis zur Dummheit, sagte er. Aber ich habe seine Worte nicht gutgeheißen. Ich sagte zu ihm: Ehrlichkeit hat nichts mit
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