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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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tatsächlich mit Bretti gemeinsam alt werden? Eher nicht.
    Jochen zog um vor den Fernseher. Nach Mitternacht kamen immer die versauten Werbespots. Jochen kannte zwar alle, aber auch hier galt: Es war ein gutes Gefühl, alte Freundinnen wiederzutreffen.

    Maik konnte seinen Blick nicht vom Gesicht der Pfostin nehmen. Trotz ihres Öko-Fimmels war sie auffallend dick geschminkt, wahrscheinlich, um die geplatzten Adern zu übermalen. Vielleicht war sie
pillenabhängig oder Alkoholikerin oder beides. Immer wenn sie lachte, entglitt ihr Gesicht vollends. Dann sah sie aus, als nähme sie gerade ein Zitronensaftsitzbad. Die Mundwinkel drückten sich himmelwärts, die Augen presste sie zusammen, es sah nach starken Schmerzen aus. Maik gab sich alle Mühe, sie immer wieder zum Lächeln zu bringen, nur damit er diesen Gesichtsausdruck noch einmal zu sehen bekam. Besser als Geisterbahn.
    Sie waren bei einer weiteren Spielrunde. Ulrike war sauer auf ihn, denn er hatte ihren Haupttransportweg blockiert. Maik wollte Rohstoffe mit seiner Frau tauschen, eindeutig zu ihrem Vorteil, aber sie vermutete weitere Schweinereien. Maik hatte ihr schon zweimal erklärt, warum sie besser auf den Deal einsteigen sollte, den er ihr anbot. Aber sie weigerte sich aus Prinzip. Warum musste die moderne Frau bei jeder Gelegenheit einen Machtkampf vom Zaun brechen? Maik nahm einen letzten Anlauf: »Offenbar habe ich mich eben nicht klar genug ausgedrückt«, fing er an, »ich erkläre es jetzt noch mal ganz langsam.« Der Pfosten schaute interessiert. Er wusste genau: Solche Sätze leiteten garantiert schwerere Krisen ein.
    Ulrike sah Maik wütend an. Sie hasste es, wenn er sie mit scheinheiliger Freundlichkeit wie eine Vollidiotin behandelte. »Ich bin nicht betrunken, falls du das meinst«, sagte sie und mühte sich, ihre Zunge nicht allzu oft anstoßen zu lassen.
    »Nein, nein, Schatz«, entgegnete Maik, »Du bist doch nicht betrunken. Nur ein wenig angeschwipst.« Er wusste genau, dass sie explodieren würde.
    »Ach«, fauchte Ulrike, »und wessen Schuld war es, dass wir in Nizza das Flugzeug verpasst haben? Wer war da sturzbesoffen?« Na endlich, da war sie, die Nizza-Geschichte, ein echter Evergreen ihrer Ehe.

    Vor zwei Jahren waren sie mit Easyjet für ein paar Euro nach Nizza geflogen. Der Hinflug am Freitagabend hatte so viel Verspätung gehabt, dass die Autovermietung schon geschlossen hatte. Das Taxi kostete ein Vermögen, dafür lag das Hotel in einem Industriegebiet. Am nächsten Morgen waren sie mit einem Stadtbus ewig unterwegs gewesen zum Flughafen, um endlich das Auto zu holen. Am Mietwagenschalter hatten sie zwei Stunden gewartet, was nicht schlimm gewesen war, denn in Nizza regnete es durchgehend.
    Ihr Vorhaben, am Samstagabend schick essen zu gehen, hatten sie schnell begraben. Die feinen Restaurants aus dem Reiseführer kosteten ein Vermögen. Da sie kein Französisch konnten, wären sie umgehend als Touristen identifiziert und erst recht ausgenommen worden.
    Maik schlug vor,richtig guten Wein zu kaufen, feinen Käse, Baguette und ein Picknick auf einem Parkplatz mit Blick übers Meer zu machen. Es regnete natürlich. Und statt eines romantischen Abends im Sonnenuntergang saßen sie im Auto, sahen nichts außer Regen und tranken Wein, den Ulrike viel zu herb fand.
    Die anderen beiden Flaschen trank Maik praktisch allein auf dem Hotelzimmer. Sie hatten eine französische Gameshow im Fernsehen gesehen, aber nicht verstanden. Ulrike war eingeschlafen. »Stell den Wecker«, hatte sie noch gemurmelt. Der Rückflug war früh am Sonntagmorgen; es war der einzige. Maik rief bei der Rezeption an. Der Nachtportier konnte kein Englisch, Maik dafür kein Französisch. Er stellte den Handy-Wecker, jedenfalls glaubte er das. Stimmte aber nicht.
    Als sie am nächsten Morgen aufwachten, waren es noch zwanzig Minuten bis zum Abflug. Allein die Fahrt zum Flughafen dauerte eine halbe Stunde. Ulrike drehte fast
durch. Sie rief bei der Airline an und versuchte den Flug aufzuhalten. Natürlich vergeblich. Sie rief heulend ihre Eltern an und tat so, als würden sie sich nie wiedersehen.
    Maik hatte einen Brummschädel und rechnete still vor sich hin: Neue Flugtickets würden ein Vermögen verschlingen. Ob sie mit dem Mietwagen fahren konnten? Unsinn. Nizza-Berlin, das war Selbstmord. Maik schlug vor, in Nizza zu bleiben und einfach den nächsten Billigflug zu nehmen; die Kinder würden sie ebenso wenig vermissen wie die Schwiegereltern. Und das Wetter
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